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6. Februar 2023
Der Weltenbummler unter den Antiquaren. Wir treffen Michael Steinbach in Wien, bevor er nach San Francisco aufbricht, um in Kalifornien die Antiquariatsmessen zu besuchen. Wohin wird dann die Reise gehen? Seit 50 Jahren ist der gebürtige Wiener, der lange sein Antiquariat in München geführt und vor ein paar Jahren zurück in die Heimatstadt gezogen ist, rund um den Globus unterwegs. Ein guter Grund, ihn nach seinen Erfahrungen zu befragen: Wie unterscheidet sich der asiatische vom amerikanischen und vom europäischen Antiquariatshandel? Wie funktionieren die Messen auf allen Kontinenten? Wie globalisiert ist der Handel mit alten Büchern und Grafiken wirklich?
Du feierst dein 50-jähriges Jubiläum als Antiquar. Wie und warum bist du Antiquar geworden?
Ich bin praktisch mit Büchern aufgewachsen. Meine Großmutter hatte in den dreißiger Jahren eine Buchhandlung in Wien, mein Vater gründete in den Fünfzigern dazu ein Antiquariat. Dadurch kam ich schon früh in Berührung mit dem alten Buch, den interessanten Kolleg*innen, den Möglichkeiten die der Beruf bietet, selbstständig zu arbeiten, und vor allem: zu Reisen.
In 50 Jahren gibt es viel zu erleben: Was war
– dein schönstes Buch, das du verkauft hast?
Eine zeitgenössisch kolorierte Ausgabe von Jacobus de Voragines »Passional«, gedruckt in Nürnberg bei Koberger 1488.
– deine netteste Begegnung?
Es gab im Laufe der Jahre so viele nette Begegnungen, ich würde den Anderen Unrecht tun, wenn ich eine herausgreife.
– dein wichtigster Katalog?
Das waren natürlich mein Katalog Nummer 1 und jetzt zum 50-jährigen Jubiläum mein Jubiläumskatalog: »50 Jahre – 50 Bücher«. Wie der Titel schon sagt, eine Zusammenstellung von 50 seltenen und besonderen Büchern, quer durch die Gebiete und Jahrhunderte.
– deine beste Idee?
Die beste Idee war, mich 1972 selbständig zu machen.
– dein größter Irrtum?
Vielleicht nicht rechtzeitig ins Computer-Zeitalter eingesteigen recte: eingestiegen zu sein.
Als Weltenbummler unter den Antiquaren bist du auf allen Kontinenten und auf vielen Messen weltweit unterwegs. Welche der internationalen Messen ist für dich die wichtigste und warum?
Die Pariser Messe im Grand Palais ist neben New York die wichtigste Messe für mich. Auf beiden Messen gibt es die meisten und fachkundigsten Besucher.
Wie hat sich der internationale Handel im Zeichen der Globalisierung verändert?
Seit dem Einzug des Internets, gibt es vom internationalen Handel kaum mehr spontane Käufe wie früher, alles wird erst online recherchiert, bevor ein Kauf getätigt wird. Die langjährige Erfahrung nützt nur mehr bedingt. Der grundlegende Wandel ging also für unsere Branche weniger von der Globalisierung als vom Internet aus.
In welcher Form wirken sich politische oder gesellschaftliche Krisen (Coronapandemie, der Krieg in der Ukraine, Gaspreiserhöhung, Inflation) auf den internationalen Handel aus?
Die Messen weltweit leiden unter schwindenden Teilnehmer- und geringeren Besucherzahlen, die gestiegenen Kosten für Transport, Reisen etc. sind ein weiterer negativer Faktor.
Du pflegst langjährige, freundschaftliche Geschäftsbeziehungen nach Japan. Was macht den Handel mit japanischen Kollegen, Sammlern und Institutionen so besonders?
Zu Beginn meiner geschäftlichen Beziehungen mit Japan war es wie ein Eldorado, die Sammler und Institutionen waren begeistert von den nicht japanischen Büchern, Karten und Ansichten. Diese Freude und das große Interesse zu sehen tat richtig gut. Leider hat sich das auch, hauptsächlich nach dem Ableben meines Partners und dann natürlich durch die Pandemie sehr reduziert.
Seit vielen Jahren übst du leitende Funktionen in unseren nationalen und internationalen Berufsverbänden aus. Warum ist Verbandsarbeit so wichtig für die Branche?
Ich glaube vielen unserer Kolleg*innen ist nicht wirklich bewusst, was die Verbandsarbeit auch für sie bedeutet. Ohne das Engagement einiger weniger Kolleg*innen gäbe es viel mehr Hürden für den Handel im alltäglichen Geschäft. Durch gezielte Lobbyarbeit und Einsatz gelingt es immer wieder Nachteile für den Handel abzuwenden, zum Beispiel die Mehrwertsteuer-Regelung, um nur einen Punkt zu nennen.
Was kann ein internationaler Dachverband wie die ILAB für den einzelnen Antiquar und dessen ganz normalen Geschäftsalltag leisten?
Die ILAB leistet auf internationaler Ebene, was die nationalen Verbände auf lokaler Ebene leisten. Sie macht Lobbyarbeit in Brüssel und versucht, Gesetzesvorhaben zu beeinflussen. Nicht zuletzt, aber fast noch wichtiger ist die Vernetzung unter den Kollegen. Ich bin noch immer der Ansicht, dass eine kollegiale Zusammenarbeit mehr bringt, als wenn jeder für sich alleine arbeitet!
Nach 50 Jahren als Antiquar – welchen Rat würdest du einer jungen Kollegin oder einem jungen Kollegen geben, der sich selbstständig machen möchte?
Grundvoraussetzung ist, sich mit dem Beruf identifizieren zu können. Es ist nicht wie irgendein beliebiger Beruf, man muss wirklich mit Herz und Seele dabei sein, sonst wird es schwer. Und eine ausgezeichnete Kenntnis der modernen Kommunikationsmöglichkeiten sollte man haben.
Zum Schluss zwei Fragen, die wir allen Interviewpartnern stellen:
Welches Buch sollte ein Antiquar unbedingt gelesen haben?
Out of Print & into Profit. A history of the Rare and Secondhand Book Trade in Britain in the Twentieth Century. Das Buch gibt einen guten Einblick in die Entwicklung des Handels nicht nur in England.
Was tust du, wenn kein Buch, keine Handschrift und keine Graphik in der Nähe sind?
In meiner raren Freizeit spiele ich noch immer gerne Basketball. Auch reise ich gerne, das kann ich meist aber auch beruflich verbinden.
ZUR PERSON
1960–1962 Antiquariatsschule in Wien; danach Volontariat in Los Angeles bei Dawson (1962–1964), nach dem Militärdienst Anstellung bei Karl & Faber bzw. Hartung und Hartung; ab 1972 selbstständig in München; 2009 Übersiedelung nach Wien.
Seit 1973 Mitglied im Verband Deutscher Antiquare, davon 8 Jahre im Vorstand (u.a. Organisation von Kongress und Messe in Köln), 8 Jahre im Vorstand der ILAB, davon 2006–2008 deren Präsident, seit 2014 Präsident der Antiquare Österreichs.
Geschäftsstelle: Norbert Munsch
Seeblick 1, 56459 Elbingen
Fon +49 (0)6435 909147
Fax +49 (0)6435 909148
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