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4. Mai 2025
Im Mai 1945, vor 80 Jahren, endete der Zweite Weltkrieg – und mit ihm eine beispiellose Katastrophe, die Millionen Menschen das Leben kostete und eine ganze Weltordnung erschütterte. Auch die Literatur, in ihrer Freiheit beschnitten, wurde während des „Tausendjährigen Reichs“ bis ins Mark getroffen: Viele Stimmen, die man 1933 zum Schweigen bringen wollte, blieben auch später ungehört. Ihre Bücher waren vergriffen, wurden vergessen oder blieben ungedruckt.
Dass dennoch Werke überdauern konnten, ist dem Mut der Exilverlage zu verdanken. Zahlreiche Emigranten verlegten ihre Werke unter Pseudonym, in Exilverlagen oder in nicht registrierten Verlagen im Ausland, darunter Paris, Tel Aviv oder Buenos Aires. Sie hielten fest an einer Literatur, die aufrütteln und erinnern wollte, auch wenn Auflagen und wirtschaftlicher Erfolg oft nur gering waren.
Ein herausragendes Beispiel war der Amsterdamer Querido Verlag, der zur Zuflucht für viele verfolgte deutsche Schriftsteller wurde – unter ihnen Heinrich Mann, Anna Seghers und Lion Feuchtwanger. Auch der Oprecht Verlag in Zürich, der Allert de Lange Verlag in Amsterdam oder der Aurora Verlag in New York druckten kritische Literatur, die in Deutschland verboten war, durch ihre Publikationen weltweit bekannt.
Diese Verlage waren mehr als nur Druckorte; sie waren kulturelle Rettungsinseln. In einer Zeit der Unterdrückung und Gleichschaltung gaben sie der Sprache Raum. Nicht selten arbeiteten sie unter widrigen Bedingungen: Papiermangel, Zensurvorschriften oder schlicht mangelnde Finanzierung erschwerten und verhinderten manche Projekte. Viele Werke konnten nur in Kleinstauflagen erscheinen, meist auf schlechtem Papier, mit improvisiertem Satz. Und dennoch hielten die Verleger am Publizieren fest – oft mehr aus Überzeugung als an Interesse am Profit.
Nach dem Krieg allerdings ebbte das Interesse an deutscher antifaschistischer Literatur spürbar ab. „Als der Verlag van Oorschot in Amsterdam 1953 den Roman Die Insel des zweiten Gesichts von Albert Vigoleis Thelen veröffentlichte, musste er sich regelrecht dafür entschuldigen“, sagt Gerhard Leyerzapf vom Antiquariat Die Schmiede in Amsterdam. „Erst in den 1960er Jahren begann eine langsame Wiederentdeckung. In den folgenden Jahrzehnten wurden die Publikationen der Exilverlage zu einem wichtigen Sammelgebiet. Denn sie dokumentieren ein Kapitel deutscher Literaturgeschichte, das lange übersehen wurde“, so Leyerzapf weiter. Maßgeblich dazu beigetragen hat die Bibliographie Deutsche Exil-Literatur von Wilhelm Sternfeld und Eva Tiedemann. 1962 erstmals veröffentlicht, konnte die zweite Auflage 1970 bereits um fast 400 Autoren erweitert werden.
Einige Erstausgaben sind bis heute begehrte Sammlerstücke – etwa Das siebte Kreuz von Anna Seghers, das 1942 im Verlag El Libro Libre in Mexiko erschien, Mephisto von Klaus Mann, publiziert bei Querido im Jahr 1936, oder Stefan Zweigs Worte am Sarge Sigmund Freuds aus dem Jahr 1939. Die Trauerrede anlässlich der Beerdigung des großen Psychoanalytikers in London erschien in nur 100 Exemplaren beim Verlag Allert de Lange. Diese Bücher erzählen nicht nur von einer bewegten Zeit – sie tragen sie in sich. Wer heute im Antiquariat eine Ausgabe mit dem Zürcher Oprecht-Logo oder eine Widmung aus dem Exil entdeckt, hält mehr als nur ein Buch in Händen. Er hält ein Stück gelebte Widerständigkeit fest.
(Text: AB)
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