» zum Schaufenster des Verbandes Deutscher Antiquare e.V.  »

6. September 2025

»Seriöse Herren gerieten aus dem Häuschen«

Der Weg zur Kunst. Das Hamburger Auktionshaus Hauswedell & Nolte.
Eine Ausstellung im Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung (ZADIK) in Köln. 

Es war eine kleine Sensation für die Kunst- und Buchforschung: Als das Hamburger Auktionshaus Hauswedell & Nolte 2015 seine Geschäftstätigkeit einstellte, übergaben Gabriele Braun-Nolte und Ernst Nolte ihr umfangreiches Firmenarchiv an das Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung (ZADIK) in Köln. Das Material umfasste rund 500 Umzugskartons voller Auktionskataloge, Einlieferungslisten, Fotos, Geschäftsunterlagen, Karteikarten, Auktionsprotokolle und weiterer Dokumente, die die fast 90-jährige Geschichte des Hauses widerspiegeln. Erstmals hatte damit ein bis vor Kurzem tätiges Auktionshaus seine gesamten Unterlagen einem öffentlich zugänglichen deutschen Archiv zur Verfügung gestellt. 

In einem mit der Universität zu Köln durchgeführten Forschungsprojekt wurde die Geschichte eines der wichtigsten deutschen Auktionshäuser der Bundesrepublik nachgezeichnet und nun mit einer Ausstellung „Der Weg zur Kunst“ im ZADIK öffentlich vorgestellt. Freilich, ohne die Namen der Einlieferer und Käufer uneingeschränkt zu veröffentlichen: Diese unterliegen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Exemplarisch werden so die Geschichte des Buch- und Kunst-Auktionshandels in Deutschland von 1940-1992 untersucht, und die Gepflogenheiten und Dynamiken des Marktes dargestellt. Bis hin zu der Transformation von Auktionshäusern im 20. Jahrhundert, als Versteigerer sich vom reinen Mittler für Händler auch für private Kunden öffneten und Auktionen zu einem gesellschaftlichem Ereignis wurden. 

Hauswedell & Nolte, 1927 zunächst als Verlag sowie Buch-Club von Dr. Ernst Hauswedell gegründet, avancierte insbesondere in der Nachkriegszeit zu einem der führenden Auktionshäuser für Bücher, Autographen und Kunst. Es handelte ferner auch mit außereuropäischer Kunst- und Kulturgütern, mit Alten Meistern und Moderner Kunst. Über die Jahrzehnte fanden dort insgesamt 466 Auktionen aller Gebiete statt. 

Immer wieder gelang es Hauswedell & Nolte, namhafte Sammlungen zu verkaufen und Rekordpreise zu erzielen, darunter 1967 die Bibliothek und Grafiksammlung von Salman Schocken mit 280 Werken von Käthe Kollwitz oder die weltweit beachtete Sonderauktion im Jahr 1960, bei der das Auktionshaus nur ein einziges Los anbot: ein „Shakespeare-First-Folio“, also die erstmals gedruckte Gesamtausgabe der Dramen William Shakespeares‘ im Folio-Format. Auch die Versteigerung der eigenen Buchsammlung von Ernst Hauswedell im Jahr 1984 erzielte spektakuläre Zuschläge: „Seriöse Herren gerieten aus dem Häuschen“, titelte die Kieler Zeitung über die Auktion. 

Wie wichtig dabei die Beziehungen zu Sammlern und Händlern war, zeigt eindrucksvoll eine großformatige Karte, die die globalen Verbindungen des Hauses aufzeigt. Ernst Hauswedell, Gabriele Braun-Nolte und Ernst Nolte pflegten enge Kontakte zu deutschen Emigranten in Nord- und Mittelamerika, Israel und Australien sowie zu Händlern in den USA. Als eines der ersten deutschen Auktionshäuser unterhielten sie sogar Niederlassungen in Los Angeles und New York. Die umfangreiche Kundenkartei mit mehr als 10.000 Namen, aber auch Einlieferungsprotokolle und Auktionsprotokolle waren teils mit persönlichen Anmerkungen zu den Kunden versehen. Fotos, die von Teilnehmenden auf der Auktion gemacht wurden, dienten der Identifizierung von wichtigen Kunden für die Mitarbeitenden.

Fotos der Ausstellung zeigen etwa Mine-Corinth-Klopfer, die Tochter von Lovis Corinth, bei der Eröffnung der New Yorker Niederlassung 1982 in New York, oder die Händler Leonard Hutton aus New York und Roman Norbert Ketterer aus Italien 1973 beim traditionellen Auktionsessen am Vorabend der Auktion im Hamburger Atlantic-Hotel. Am nächsten Morgen sollten sie sich ein Bietergefecht um Karl-Schmidt-Rottlufs Ölgemälde „Blühende Bäume“ liefern. 

Im September 2024 wurde die vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste finanzierte Teildigitalisierung und -erschließung des Archivbestands abgeschlossen. Rund 100.000 der insgesamt 342.000 Lose der Auktionen 23 (1940) bis 297 (1992) wurden mit ihren Kerndaten – Auktionskataloge, Einlieferungslisten und Auktionsprotokolle – in die Datenbank des ZADIK aufgenommen. Besonders relevant sind diese Informationen für die Kunstmarkt- und Provenienzforschung. Sie sind aber auch soziologisch interessant: Wer hat was warum gesammelt – und welchen Weg sind diese Objekte gegangen? Und wie haben sich Kaufverhalten und Vertriebskanäle und die Rolle von Händlern und Auktionatoren über die Jahrzehnte gewandelt?

 „Der Weg zur Kunst. Das Hamburger Auktionshaus Hauswedell & Nolte“
Ausstellung bis 28.09.2025 im ZADIK, Köln
Informationen und Digitaler Guide: zadik.phil-fak.uni-koeln.de

(Text: AB)

 

 

Verband Deutscher Antiquare e.V.

Geschäftsstelle: Norbert Munsch
Seeblick 1, 56459 Elbingen
Fon +49 (0)6435 909147
Fax +49 (0)6435 909148
E-Mail buch[at]antiquare[dot]de