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18. Juli 2023
Eine Google-Suche nach dem Wort »Sammelethik« führt zur Frage, wie viele Wildkräuter gepflückt werden dürfen. In unserer Welt der Bücher stellt sich vielleicht eher die Frage, wie wir mit der Ernte umgehen. Wenn Gemälde versteigert werden, kann es sein, dass die Öffentlichkeit sie danach für sehr lange Zeit nicht mehr sieht. Wenn Bibliotheken Codices kaufen, liegt manchmal eine gewisse Erleichterung in der Luft, weil ein atemberaubender Schatz vermeintlich sicher in öffentlicher Hand und damit zugänglich ist.
Fernab dieser Schlagzeilenverkäufe gibt es unzählige kleinere und größere Privatsammlungen, die möglicherweise überhaupt nicht von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden können. Welche Verantwortung haben diese Menschen ihren Sammlungen gegenüber? Irgendwie ist doch selbstverständlich, dass ein Original-Luther nicht in der dampfenden Badewanne geschmökert wird. Aber darüber hinaus? Sammler*innen sind in der Regel die einzigen Menschen, die Zugang zu ihren Sammlungen haben. Ich wünschte mir, dass mehr Sammler*innen ihr Sammeln nicht für sich behalten. Dass sie ihr Wissen teilen und ihre Objekte zeigen möchten und von ihnen erzählen.
Ich sage gerne, dass Sammlungen Geschichten erzählen. Wenn ich Bücher nebeneinanderstelle (zum Beispiel ein Kochbuch aus den 1890er Jahren und Oscar Wildes Importance Of Being Earnest, einfach nur, weil beide Gurkensandwiches erwähnen), dann stelle ich einen Zusammenhang zwischen ihnen her. Mein Sammeln ist damit nicht nur ein »haben wollen«, sondern auch ein »zeigen wollen«.
Viele Sammlungen machen auf Themen aufmerksam und erzählen Geschichten, die in den Sammlungen der Museen und den Sonderkatalogen der Antiquariate möglicherweise gar nicht vorkommen. Von der Perspektive ausgehend, dass eine Sammlung »mehr« sein kann – mehr als eine Menge schöner Dinge und mehr als wertvoll oder selten – kann sich dann vielleicht so etwas wie eine Sammelethik entwickeln: Was kann ich zeigen, was möchte ich zeigen und warum?
Elisabeth Wittkowski
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