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24. Oktober 2023

#ElliSammelt
Beton, Metall und graue Bücher
Der brutale Realismus der Universitätsbibliothek

Bodleian in Oxford? Trinity College, Dublin? Die Unibibliothek in Uppsala, oder an der Sorbonne? All diese Bibliotheken sind in Listen mit den schönsten Universitätsbibliotheken vertreten. Ein Dark-Academia-Traum aus Holz, Stuck, Leder und Gold. Meine Unibibliothek war, ist und wird immer sein die UB der Ruhr-Universität Bochum, denkmalgeschützter Brutalismus. Beton-Academia.

In dieser echten Unibibliothek werden nicht Regale bewundert, niemand läuft in schwingenden Tweedkleidern durch alte Holzregalreihen mit gravierten Messingplaketten. Vor allem wird dort mit den Büchern gearbeitet – es geht um Texte, nicht um Einbände. Das »klink, klink, klink« der Buchdeckel, die auf die Metallregalböden fallen, wenn man die Bücher zurückstellt und die Geräusche der Plastikhocker, wenn man sich auf sie draufstellt, um an Buch LZB 2052 in Bereich 1/4 oder so ähnlich zu kommen, gehören mehr in die Kategorie »Großraumbüro« als zur romantisierten Geisteswissenschaft. Das Buch ist hier ein Medium, ganz technisch. Das Sammeln in einer Unibibliothek wirkt genauso technisch: monotone Einbände, überall Stempel und Signaturen. Der Zustand misst sich an der Benutzbarkeit.

Das, was ich an den alten Bibliotheken so schön finde – Verzierung, Prahlerei, bildungsbürgerlicher Prunk? – das hat eigentlich in einer richtigen Unibibliothek nichts zu suchen. Und trotzdem versuche ich immer noch diesen Traum von Dark Academia mit meiner eigenen Hobby-Privatsammlung in verträumten Regalen zu leben. So wirklich echt ist am Ende aber nur die Unibibliothek mit den Geräuschen, die die Plastiksohlen meiner Schuhe auf dem Plastiknoppenboden der Betontreppe machen.

Elisabeth Wittkowski

 

 

 

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