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20. Dezember 2023

#ElliSammelt
Weihnachtlicher Buchnippes
Über leere Bücher, singende Engelchen und anderen Kitsch

An meinem Weihnachtsbaum wird dieses Jahr wieder ein Stapel Bücher hängen. Es handelt sich um einen ziemlich großen, mundgeblasenen, handdekorierten Weihnachtsbaumanhänger »mit Charme«, so die Beschreibung. Eines der »Bücher« soll ein Naturkundebuch sein, ein anderes die Bibel. Und auf einer Kommode steht ein gemütliches Keramikhausweihnachtsdorf mit kleinen Glühbirnen für die Beleuchtung – Kirche, Schule, Laterne und Brunnen. Es wäre ohne Buchhandlung nicht komplett. Der entstehende Marktplatz kann dann mit einem etwa fingergroßem Plastikpult mit einem aufgeschlagenen Plastikbuch dekoriert werden. Ein von Tannenzweigen baumelndes Erzgebirgsengelchen hält ein Liederbuch mit echten Seiten (eine Seltenheit, viele Weihnachtskitschbücher sind notorisch nicht benutzbar), es singt Stille Nacht.

Die Aura des Buches scheint so weit zu reichen, dass es gar nicht das echte Buch sein muss, das den Reiz des Buches erfolgreich vermittelt. Ihre liebsten Klassiker (Stolz und Vorurteil und natürlich Eine Weihnachtsgeschichte) als dekoratives Ornament im Baum … das macht zum Beispiel eine große Buchhandelskette jetzt möglich. Nicht zuletzt der obligatorische Roman unter dem Weihnachtsbaum, der vielleicht auf dem Stapel mit den anderen ungelesenen Büchern landen wird, lebt quasi von der Idee des Buches.

Buchnippes ist aber kein neues Phänomen und nicht zwingend ein weihnachtliches: An Tag zwei des Instagram-Adventskalenders des Londoner Antiquariats Sotheran’s wurde ein Flachmann in Buchaufmachung (um 1900, laut Beschreibung »a very solid piece of craftsmanship«) vorgestellt. Und wer kennt nicht diese Boxen in Buchform, die oft mit Bildern von historischen Weltkarten beklebt sind und als Geldversteck oder Erinnerungsbox benutzt werden sollen?

Es ist herrlich einfach, sich über den ganzen Kitsch lustig zu machen, aber irgendwo schätze ich diesen ganzen Krimskrams sehr, denn er zeigt einmal mehr, dass wir einfach an Büchern hängen – so sehr, dass wir Bücher haben wollen, wo es gar kein Buch braucht.

Elisabeth Wittkowski

 

 

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