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24. Mai 2024

#ElliSammelt
Den guten Ton sammeln
Über Ramsch, der ein Sammelgebiet sein kann

Hübsche Kieselsteine, Prospekte, Katzenschnurrhaare. In wenigen Kontexten würden solche Themen als wertvolle Sammelthemen charakterisiert werden. Wer Porzellan, frühe Luther-Ausgaben oder Fossilien sammelt, hat dieses Problem seltener. Nur weil Kunst, Philosophie und Wissenschaft manchen Sammelgegenständen schon per se eingeschrieben ist, heißt das aber doch nicht, dass andere Gegenstände nicht durch das Sammeln das Potential zum Erkenntnisgewinn entwickeln könnten.

Der wirkliche Ramsch, der es äußerst selten ins Antiquariat schafft, sondern meinem Eindruck nach eher in den Wühlkisten von Trödelläden liegt, ist weit davon entfernt, Rekordpreise zu erzielen oder auch nur detailliert beschrieben in einem Katalog aufzutauchen. Den zerfledderten Benimmratgebern, Marlitt- und Bertelsmann-Lesering-Ausgaben genug abzugewinnen, um sie zu sammeln, ist auch zugegebenermaßen keine leichte Aufgabe.

Einige Sammelgebiete, die mit dem (und das sei hier betont: scheinbaren!) Eindruck des Unintellektuellen oder Belanglosen zu kämpfen haben, bekommen allerdings immer wieder Aufmerksamkeit, wie zum Beispiel Werbetafeln, Comics oder die fast schon klassische ‚pulp fiction‘ mit ihren hemmungslosen schematischen Coverillustrationen. Nicht zu vergessen historische Erotika, die auf Auktionen zuverlässig hohe Preise erzielen. All dies lässt sich wunderbar sammeln und erforschen.

Ein Sammelgebiet, das vielleicht noch darauf wartet, so entdeckt zu werden, sind Benimmratgeber, die erstaunlich oft »Der gute Ton« oder so ähnlich betitelt sind. Ich kam letztens durch ein Seminar auf sie. Die Bücher unterscheiden sich inhaltlich kaum, die süffisante Darstellungsweise in Text und Illustration ist nahezu absurd. Das besondere an einer Sammlung ist ja aber, dass sie mehr aussagt, als die Gegenstände es einzeln tun könnten. Was genau das ist, wird sich in diesem speziellen Einzelfall noch zeigen. Der kleine Stapel mit den guten Tönen steht bis dahin als Sammel-Anekdote im Regal. Schon jetzt sehen sie deutlich weniger muffig, trödelig und schnell verstanden aus, als ich ursprünglich einmal vermutet hatte.

Elisabeth Wittkowski

 

 

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