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24. Oktober 2022

Von Antiquaren und Sammlern

... Georg Schreyer

Hinter jedem Antiquariat steht ein kluger Kopf. Antiquarinnen und Antiquare versinken in Büchergebirgen und Graphikmappen, verbergen sich hinter Computerbildschirmen, Antiquariatskatalogen, Angebotslisten, Websites und Onlineshops. Man trifft sie auf Antiquariatsmessen und in ihren schönen Ladenlokalen, manchmal sogar in Krimiserien. Barbara van Benthem und Sibylle Wieduwilt haben sich auf die Reise begeben und die Kollegen des Verbandes Deutscher Antiquare für eine Reihe von Interviews besucht und mit ihnen gesprochen. Sie haben viel zu erzählen. War früher alles besser? Diesmal sind wir nach Bonn gereist, um zu erfahren, ob sich die Arbeit eines Antiquars über die Jahrzehnte verändert hat.


Wie und warum sind Sie Antiquar geworden?
Erblicher Vorbelastung folgend habe ich im Herbst 1968 nach dem Abitur, einer sehr kurzen Bundeswehrzeit und der Teilnahme an einem ILAB-Kongress in Amsterdam mit anschließender Antiquariatsmesse, eine formelle Buchhändlerlehre in Berlin mit zweijähriger Berufsschule in der Fachrichtung Antiquariat bei der Fa. Hessling, Herrn Walter Schmidt, absolviert. Danach studierte ich ebenfalls in Berlin Kunstgeschichte mit Bibliothekswissenschaft und Niederländisch im Nebenfach. Bevor ich endgültig in das, von meinem Vater im Jahr 1953 gegründete Buch- und Kunstantiquariat Hanno Schreyer eintrat, folgte 1974/75 noch ein Volontariat bei Karl Hartung in München. In all diesen Jahren habe ich bereits regelmäßig an der Antiquariatsmesse Stuttgart und der Westdeutschen Kunstmesse teilgenommen.
Der Beruf des Antiquars hat mir eine sehr abwechslungsreiche Tätigkeit geboten mit zahlreichen Kontakten zu verwandten Berufen wie Buch- und Antiquitätenhändlern sowie Galeristen. Ferner konnte ich einige Sachgebiete neben Buch und Graphik für mich entdecken, bevor sie in den siebziger Jahren in Mode kamen: Kinderbücher, Photographie, Plakate. Besonders schön waren die vielen Geschäftsreisen.

Hat sich die Arbeit als Antiquar in den Jahren verändert und wenn ja, inwieweit?
Der Antiquar ist immer mehr zum Bürokraten, Photographen, Postbeamten, Provenienzforscher, Zollbeamten geworden.

Für wie wichtig halten Sie die Antiquariatsmesse Stuttgart und deren Fortbestehen?
Wir brauchen eine zentrale Messe möglichst in der warmen Jahreszeit. Ein bezahlbarer, gut gelegener Ausstellungsort muss gefunden werden. Die Messegesellschaften sind für uns meistens zu teuer, und wir sind wegen der vergleichsweisen geringen Ausstellungsflächen und Besucherzahlen für diese eher uninteressant. Egal wo, wann und wie: Wir brauchen immer ein erfahrenes Messeteam. Daher ein großes Sonderlob auf die Herren Breitmeyer, Frey und Munsch, die seit vielen Jahren an der Organisation beteiligt sind.

Sie erinnern sich bestimmt an die »guten alten Zeiten«. Stimmt es, dass die Aussteller früher mit Taschen voller Bargeld nach Hause gegangen sind?
Bargeld war in den siebziger und achtziger Jahren fast das einzige, garantierte Zahlungsmittel, besonders im unteren Preisbereich. Euroschecks galten nur bis DM 300.–. Kreditkarten spielten keine Rolle. Referenzen von den anderen Ausstellern haben wir auch oft als Rückversicherung genommen. Nach einigen Jahren war aber dann eine gewisse Vertrautheit mit vielen Kunden, gelegentlichen Interessenten und Besuchern da. Dennoch gab es nach einer Messe auch immer wieder Rechnungsversand und Zusendung nach Bezahlung.  

Die Welt der Antiquare ist voller Anekdoten. Was ist Ihre außergewöhnlichste Erinnerung an die Antiquariatsmesse Stuttgart?
Eine Antiquariatsmesse hatte für uns tatsächlich ein fiskalisches Nachspiel. Ein »Messekunde« schickte eine Postkarte an das Finanzamt Bonn-Innenstadt und beschwerte sich, dass wir keine Registrierkasse am Messestand gehabt hätten! Die Folge war eine Betriebsprüfung!

War früher wirklich alles besser?
Natürlich!

Sie sind schon viele Jahre Mitglied im Verband und haben sich selbst lange engagiert. Was denken Sie kann der Verband für seine Mitglieder leisten und was nicht?
Neben fachlichen Fortbildungsangeboten sollte der Verband Informationen von Experten zu den Themenkreisen Versicherungen, Altersvorsorge, Selbstständigkeit, Kulturschutzgesetze im weitesten Sinne anbieten. Der VDA kann in Zusammenarbeit mit den anderen Kunsthandelsverbänden hauptsächlich deutsche Gesetze und Bestimmungen kommentieren bzw. beeinflussen. Auf EU-Ebene ist das schon ungleich schwieriger. Weltweite Einigkeit mit verbindlichen Bestimmungen für den Kunsthandel halte ich für unerreichbar.  

In die Zeit Ihrer Vorstandsarbeit fiel die Organisation des ILAB-Kongresses 1992 in Köln. Was ist das Besondere an diesen Kongressen?
Trotz der zahlreichen Kontaktmöglichkeiten mit KollegenInnen durch Auktionen und Messen bieten die Kongresse immer noch mehr Möglichkeiten zu ungeplanten, intensiveren Gesprächen und Begegnungen – ein ideales Teambuilding-Event statt Homeoffice! Die Kongresse öffnen meistens die Türen zu sonst oft verschlossenen öffentlichen und privaten Bibliotheken und Sammlungen. Aber auch hier die Bitte und Aufforderung, neue und preiswerte Formen für diese Kongresse zu finden!

 

Buch- und Kunstantiquariat Hanno Schreyer GbR
Georg Schreyer
Euskirchener Straße 57–59
53121 Bonn
SchreyerBonn[at]t-online[dot]de

 

 

Verband Deutscher Antiquare e.V.

Geschäftsstelle: Norbert Munsch
Seeblick 1, 56459 Elbingen
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Fax +49 (0)6435 909148
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