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2. Mai 2023

Von Antiquaren und Sammlern

... Kerstin Seidel

»Ein Jubiläum, auf das wir stolz sein können« – Bald ist es so weit: die Antiquariatsmesse Stuttgart öffnet zum 60. Mal ihre Türen. 60 Jahre Antiquariatsmesse Stuttgart, das sind nicht nur Katalogangebote im Wert von 46.346.890 Euro allein in den letzten 10 Jahren, 7200 qm roter Teppich oder mehr als 7000 Tassen Kaffee am Aufbautag. Das sind vor allem die vielen Ausstellerinnen und Aussteller, die mit der Messe Erfolgsgeschichte geschrieben haben. Sibylle Wieduwilt und Barbara van Benthem haben einige von ihnen besucht und befragt. Heue: Kerstin Seidel in Fürstenberg an der Havel.

10% Frauenanteil auf der Messe und im Verband sind nicht viel. Was denkst Du, warum gibt es so wenige Frauen als Inhaberinnen eines Antiquariats?
In der Vergangenheit hing das sicher mit dem Rollenbild der Frau zusammen. Aber es gab schon immer die intelligente und engagierte mitarbeitende gleichberechtigte Ehefrau und Partnerin im Antiquariat.

Sind Frauen vielleicht nicht mutig genug?
Ich glaube Frauen sind genau so mutig wie Männer und in den letzten Jahren haben sich doch erfreulicher Weise auch etliche Frauen als Antiquarinnen selbstständig gemacht.

Die Antiquariatsmesse Stuttgart feiert in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen. Welche Bedeutung misst Du diesem Jubiläum zu?
60 Jahre Antiquariatsmesse Stuttgart – ein Jubiläum auf das wir stolz sein können.

Sind Messen ein Auslaufmodell?
Messen sind ein wichtiger Ort der persönlichen Begegnung und des Austausches sowohl mit Kunden, wie auch mit Kollegen. Außerdem spiegeln sie die Vielfalt der Branche in der Öffentlichkeit wieder.

Sollte sich der Verband einer offenen Diskussion zu den Themen Nachwuchs der Branche und Zukunft der Antiquariatsmessen stellen?
Das Thema Nachwuchs im Antiquariat sollte noch mehr in den öffentlichen Fokus rücken, da viele junge Leute das Antiquariat nur aus dem Internet kennen und nichts von der Vielfalt an Möglichkeiten, die die Branche bietet, wissen. Dazu können auch Messen beitragen. Hier sollten wir vielleicht  etwas mehr auf junge Sammler mit noch kleinem Budget  eingehen.

Du bist eine der wenigen Kolleg*innen, die bereits vor dem Mauerfall in der DDR im Antiquariat tätig waren. Was sind die gravierendsten Veränderungen in der Arbeit als Antiquarin für Dich gewesen?
Nach Ausbildung und Studium war ich seit 1979 im Antiquariat tätig, zuerst in Dresden, dann in der Katalogabteilung in Berlin. Es war in der DDR hauptsächlich ein Binnenmarkt, der den Mangel an Büchern ausgleichen mußte. In Büchern fanden Viele die Freiheit, die es sonst nicht gab. Leider dienten antiquarische Bücher aber auch der Devisenbeschaffung, was immer mehr zum Ausverkauf führte. Als ich mich 1991 zusammen mit Karla Richter selbständig machte, merkten wir, daß uns nun die ganze Welt für den Handel offen stand und was früher als sehr selten galt, nun häufiger zu haben war.

Hast Du den Eindruck, dass sich das Verhältnis zum Buch geändert hat? Und wenn ja, seit wann?
Mit Beginn des Internethandels hat sich meiner Meinung nach das Verhältnis zum Buch verändert. Plötzlich sind tausende von Titeln und Exemplaren Tag und Nacht verfügbar.

Nach vielen Jahren mit einem Ladengeschäft in Berlin bist Du vor einiger Zeit nach Fürstenberg an der Havel gezogen. Hat ein Versandantiquariat fernab der Großstadt einen Vorteil?
Nach 20 Jahren in Berlin-Mitte, sah ich mich auf Grund der horrend gestiegenen Ladenmiete zu einer Veränderung gezwungen und betreibe nun mein Geschäft im eigenen Haus in Brandenburg. Auch hier können mich Kunden besuchen, was durch die gute Anbindung an Berlin leicht möglich ist.  Aber es ist doch überwiegend ein Versandhandel und meine Haupteinnahmequelle sind meine Kataloge, die ich seit 1991 regelmäßig versende.

Und nun noch zwei Fragen, die wir allen Interviewpartnern stellen:
Welches Buch sollte eine Antiquarin unbedingt gelesen haben?
Es gibt viele Bücher, die ein Antiquar lesen sollte. Einige wurden an dieser Stelle schon von Kollegen vorgestellt. Ich empfehle gleich zwei Bücher von Frauen aus dem Antiquariatshandel. Einmal von Lotte Roth-Wölfle: »Bücher, Blätter, Bibliotheken« und von Leona Rostenberg und Madeleine Stern: »Zwei Freundinnen, eine Leidenschat. Unser Leben für seltene Bücher«.

Was tust du, wenn kein Buch in der Nähe ist?
Das kein Buch in meiner Nähe ist, kommt fast nie vor. Ich habe selbst in Zug oder in der U-Bahn meist ein Buch dabei. Ansonsten gehe ich gerne in Konzerte und ins Theater oder bin in der Natur.


Zur Person
1971–73 Ausbildung zur Buchhändlerin; 1975–1978 Studium an der Fachschule für Buchhandel und Verlagswesen, ab 1979 als Antiquarin tätig, seit 1991 selbstständig; Mitgliedschaft im Verband seit 2005.

 

 

Verband Deutscher Antiquare e.V.

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