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15. Mai 2023

Von Antiquaren und Sammlern

...  Wolfgang Wanzke

In nur einem Monat öffnet die 60. Antiquariatsmesse Stuttgart ihre Tore. Nicht 16476 km, wie einst Hordern House aus Australien, sondern nur etwas mehr als 190 km beträgt die Entfernung, die Wolfgang Wanzke aus Augsburg zur diesjährigen Antiquariatsmesse Stuttgart zurücklegen muss. Barbara van Benthem und Sibylle Wieduwilt haben aus Anlass der bevorstehenden Jubiläumsmesse diesmal einen der Neuaussteller auf der Messe befragt.

Wolfgang, Du hast Chemie studiert und in der Industrie gearbeitet. Wie wird man vom Chemiker zum Antiquar?
Das sind ja meist längere Geschichten. Deshalb nur in Kurzform ein paar Stationen: Schon als Schüler war ich eifriger Leser, eine Affinität zu Büchern war früh erkennbar. In der Studienzeit gab es eine kleine Erbschaft älterer Bücher von einer Großtante und verstärktes Interesse an Antiquariaten, erste kleine Käufe. In meinen frühen Industriejahren dann der erste Schnupper-Auktionsbesuch, ich lernte Versandantiquariate ohne Ladengeschäft kennen, und schließlich der Einfluß eines Freundes, der im Nebenerwerb einen Verlag gegründet hatte. 1991 dann die Gewerbeanmeldung und ein erster kleiner Katalog.

Gibt es Schwerpunkte in Deinem Angebot?
Die Naturwissenschaften und die Technik haben verständlicherweise immer große Bedeutung gehabt, aber ich wollte mit dem Antiquariat auch bewusst aus der Nische des Fachmanns hinaus und breiteren Interessen nachgehen. Deshalb habe ich viele Gebiete im Angebot, allerdings kaum klassische Literatur. Es ist ganz wesentlich ein Sachbuch-Antiquariat, mit Titeln von 1500 bis heute.

Seit 2020 bist Du Mitglied des Verbandes Deutscher Antiquare, warum hast Du Dich dafür entschieden?
Schon als Mitglied der Genossenschaft der Internet-Antiquare, einige Jahre auch als Aufsichtsrat, habe ich immer wieder mal daran mitgewirkt, die Verbindungen zum Verband auszubauen, was sich nur als begrenzt möglich erwies. Ich denke, vor allem die Mitglieder beider Organisationen haben auch weiter Interesse daran. Über das Seminar (siehe unten) und viele freundschaftliche Kontakte wurde ich dann selbst Mitglied. Es gibt natürlich auch wirtschaftliche Interessen, nicht zuletzt wegen des hohen Anteils an Auslandsbestellungen (ILAB-Mitgliedschaft) oder der Möglichkeit an der Stuttgarter Messe teilzunehmen.

Nach der Teilnahme an den zwei virtuellen Messen des Verbandes stellst Du nun auch real auf der 60. Antiquariatsmesse Stuttgart aus. Welche Erwartungen hast Du an die Messe?
Zunächst einmal hoffe ich, dass die reale Messe nach zwei Jahren Corona-Pause viel Publikum mit Lust auf Bücher und Grafik anzieht. Der Ausweich-Standort Forum sieht attraktiv aus und die neue Nähe beider Messen in Ludwigsburg sollte es allen Besuchern leicht machen. Die geschäftlichen Erwartungen sind für mich schwierig einzuschätzen. Meine »Stammkundschaft«, wenn man im Internet überhaupt davon reden kann, ist überschaubar und nur zu einem kleineren Teil durch frühere Messe-Teilnahmen in Leipzig, Frankfurt oder Ludwigsburg erreicht worden. Außerdem gab es bei mir eine längere Messe-Abstinenz. Darin liegt natürlich auch eine gewisse Chance, vom Stuttgarter Publikum als »neuer« Anbieter wahrgenommen zu werden und so Interesse zu wecken. Mir ist erst einmal wichtig, meine Angebote in diesem Format präsentieren zu können und wieder mit vielen Kunden, Interessenten und KollegInnen direkt ins Gespräch zu kommen.

Kannst Du uns schon ein wenig verraten, was uns an Deinem Stand erwarten wird?
Eine breite Mischung von A wie Alchemie bis Z wie Zoologie. Dazwischen auch abenteuerliche Reisen des 17./18. Jahrhunderts, Pharmazie, Physik und Technik, auch Kultur- und Rechtsgeschichte, alte Augsburger Drucke und schließlich sogar ein wenig illustrierte Literatur bzw. Pressendrucke. Es wird eine Liste der Messetitel geben, die vorher als Datei oder auch postalisch an Interessenten versandt wird.

Wie wichtig ist für Dich ein internationales Messepublikum und könntest Du Dir vorstellen auf internationalen Messen auszustellen?
Internationales Publikum ist sowieso ein wichtiger Teil meiner Kundschaft, das hat sich auch auf früheren Messen schon gezeigt. Allerdings habe ich nicht vor, an Auslandsmessen teilzunehmen. Mein Antiquariat war als Nebenerwerb immer relativ klein und soll nun, im Rentenalter, nicht meine gesamte Zeit in Anspruch nehmen.

Kennengelernt haben wir uns beim Seminar für Antiquare, an dem Du schon seit vielen Jahren regelmäßig teilnimmst. Für wie wichtig hälst Du dieses Angebot?
Das Seminar ist nicht wirklich bedeutend für die Branche oder die Ausbildung von Antiquaren, den Anspruch hat es wohl auch nicht. Es ist aber eine wunderbare Möglichkeit zur Weiterbildung, mit vielen kenntnisreichen Vorträgen, exklusiven Führungen und vielen Gelegenheiten zum Austausch mit den KollegInnen. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass die vielen besuchten Institutionen, vor allem Bibliotheken und Museen, uns Antiquare als kompetente Gesprächspartner und Lieferanten persönlich kennenlernen können.

Kann der Verband über die Seminare neue Mitglieder generieren?
In begrenztem Umfang vielleicht. Bei mir hat das Seminar jedenfalls dazu beigetragen 😊.

Gibt es ein bestimmtes Seminar, dass Du in besonderer Erinnerung hast und wenn ja warum?
Es gab für mich persönlich bei allen Teilnahmen etwas besonderes, sei es ein spezielles Thema, eine herausragende Führung, lange Abenddiskussionen oder neue freundschaftliche Begegnungen. Ich kam immer frisch motiviert und mit neuen Erkenntnissen vom Seminar zurück, deshalb keine besondere Hervorhebung. Ich war über die Jahre auch nicht kontinuierlich dabei.

Und nun noch zwei Fragen, die wir allen Interviewpartnern stellen:

Welches Buch sollte ein Antiquar unbedingt gelesen haben?
Arturo Pérez-Reverte: Der Club Dumas. – Ein »teuflisch« guter Bücherjäger-Roman.

Was tust du, wenn kein Buch in der Nähe ist?
Wertvolle Zeit mit meiner Lebensgefährtin verbringen, gelegentlich verreisen, Freundschaften pflegen, Ausgleichssport betreiben etc.
 

ZUR PERSON
Von 1977–1983 Studium der Chemie an der Ruhr-Universität Bochum; 1986 Promotion und Beginn der Berufstätigkeit; 1991 Gründung des Antiquariats im Nebenerwerb; 2001 Beitritt zur Genossenschaft der Internet-Antiquare (GIAQ), dort Aufsichtsratsmitglied von 2004–2013; seit 2020 Mitglied im Verband Deutscher Antiquare

 

 

Verband Deutscher Antiquare e.V.

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