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26. Oktober 2022

Von Antiquaren und Sammlern
Nachruf Herbert Schauer

Herbert Schauer wurde 1952 in der Grenzstadt Laufen an der Salzach geboren. Nach dem Abitur diente er bei den Gebirgsjägern und schloss 1983 das Lehramtsstudium mit dem zweiten Staatsexamen ab. Doch schon während des Studiums hatte er beim altrenommierten Münchner Antiquariat Kitzinger nahe der Universität ausgeholfen und entschied sich, sein Berufsleben dem alten Buch zu widmen. Von dort wechselte er im März 1986 zum Auktionshaus Zisska & Kistner, das Friedrich Zisska 1982 mit dem Nürnberger Antiquar Rolf Kistner gegründet hatte. Engagiert und kenntnisreich, liebenswürdig und zielstrebig prägte Schauer bald die Kataloge des Hauses. Ab 2001 war er obendrein als Versteigerer tätig und kümmerte sich auch um die Akquisition der Auktionsware, so dass er fachlich gut darauf vorbereitet war, um nach dem Ausscheiden von Friedrich Zisska und Rolf Kistner in den Ruhestand die Firma zu übernehmen. Ab 2007 fungierte er als Geschäftsführer der Fa. Zisska & Schauer, kurz zuvor war er in den VdA eingetreten. Sehr erfolgreich war er bei der Akquise qualitätsvoller Auktionsware. So konnte er im November 2010 die Sammlung von Thomas Padua (Märchen, Sagen, Volkskunde) mit einem Sonderkatalog anbieten und im Mai 2012 die berühmte Erotika-Sammlung des Verlegers Karl Ludwig Leonhardt (1922–2007), aber auch über mehrere Auktionen die Bestände einer hochrangigen süddeutschen Adelsbibliothek.

Doch das wachsende internationale Renommee hatte auch eine verhängnisvolle Wirkung. Wie in einem billigen Krimi organisierten der Direktor einer hochbedeutenden Bibliothek in Neapel und ein renommierter ILAB-Antiquar einen Coup. Der eine plünderte seit längerem seine Schätze, der andere lieferte diese Zimelien im Auftrag einer fiktiven Gräfin 2012 in München zur Versteigerung ein. Die italienische Justiz ließ das Konvolut kurzerhand beim Auktionshaus beschlagnahmen und forderte beweislos die Auslieferung des Auktionators als Mafia-Hehler mit internationalem Haftbefehl. Dieser - Sündenbock und Bauernopfer – kam tatsächlich für fast ein Jahr in Untersuchungshaft und Hausarrest in Neapel. Der Fall erregte in der Branche und darüber hinaus beträchtliches Aufsehen und bot manche Gelegenheit für Solidarität wie auch für Verleumdung und Niedertracht. Nach seinem Freispruch durch den Kassationshof in Rom blieb nichts von den Vorwürfen übrig. In der Folge schied Schauer aus der Münchner Firma aus und ging in den Ruhestand. Dieser war jedoch durch unablässiges Weiterarbeiten geprägt. Der leidenschaftliche Buchmensch und unersättliche Leser war vielfach ehrenhalber für Kollegen als Helfer und Berater tätig, ja erledigte ganze Bibliotheksumzüge.

Herbert Schauer war eine der letzten Verkörperungen des »grundgescheuten Antiquarius«, bodenständiger Altbayer von altmodisch umfassender, geradezu lexikalischer Gelehrsamkeit, strenger Penibilität und nimmermüdem Spürsinn. Seine Beschreibungen auch kleiner Gelegenheitsdrucke waren so präzise wie jene wuchtiger Atlanten, er analysierte die Plattenzustände französischer Illustrationsfolgen des Barock ebenso akribisch wie anonyme Münchner Jakobinerpamphlete um 1800. Seine besondere Passion galt Nietzsche – man lese in IASL online seinen profunden Verriss des Katalogs von Nietzsches Bibliothek. Er wies auch in »Aus dem Antiquariat« ungescheut einem schlampigen Germanisten den fehlergespickten Umgang mit Originalausgaben nach (der sich dann empörte, was ein Antiquar – man denke! – sich da erfreche). Für Überarbeitung von Anmerkungen historisch-kritischer Ausgaben ließ er sich ebenso gerne (und oft unentgeltlich) heranziehen wie für die genaueste Entschlüsselung des rund 1500 Nummern zählenden Verzeichnisses einer Erotikasammlung des frühen 19. Jahrhunderts. Im Internet gibt sein Blog (aglaophamus.blogspot.de) einen Eindruck von seiner temperamentvollen Liebe zum alten Buch in allen Sparten. Gerade siebzigjährig ist Herbert Schauer am 27. September 2022 in München seiner Krebserkrankung erlegen. Er fehlt. 

Reinhard Wittmann

* Herbert Schauer auf der Antiquariatsmesse Stuttgart 2013 (Foto: Barbara van Benthem)

 

 

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