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10. Februar 2023

Von Antiquaren und Sammlern
Herbert Blank (1929–2023). Ein Nachruf von Gunnar Gräff

Am 22. Januar 2023 starb der international renommierte Stuttgarter Antiquar Herbert Blank nach einem schweren Schlaganfall. Mit ihm ging nicht nur einer der letzten Großen der Stuttgarter Antiquariatslandschaft, sondern auch einer der bescheidensten.

Versuche, seine zahlreichen bedeutenden Kataloge als literaturwissenschaftlich philologische Leistung darzustellen, wiegelte er ab. »Nicht der persönliche oder monetäre Erfolg ist das Entscheidende, sondern immer der Übergang eines bibliophilen Buches von einem Liebhaber zum nächsten«, sagte er mir einmal. Blank verstand seine Kataloge in erster Linie als Produkte eines Büchersammlers, der bemüht ist, literarische und historische Zusammenhänge zu verdeutlichen. Unter diesem Kontext entstanden international beachtete Kataloge wie die »Gruppe 47« (1988), »Französische Revolution. Zustimmung und Abwehr in der deutschen Literatur« (1989), »Ernst Jünger« (1995), »Die Paulskirche: Bücher und Autographen von Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung und einigen Weggefährten« (1998), »Goethes Welt« (1999), »In Walter Benjamins Bibliothek« (2006) und nicht zuletzt der vielleicht bekannteste Katalog »Kafkas Welt« (2001), eine Rekonstruktion der von Kafka gelesenen Lektüre, anhand seiner Briefe und Werke, der weit über 100 Rezensionen in aller Welt erfuhr und Herbert Blank international bekannt machte.

Geboren ist Herbert Blank am 20. Juni 1929 in Nürnberg und wuchs dort in bescheidenen Verhältnissen auf. Aufgezogen von seiner Großmutter, in einem Haus ohne Bücher, versuchte er schon früh der geistigen Enge seines Zuhauses zu entfliehen. Im Sommer 1944 beendete er die ungeliebte Schule mit nur 15 Jahren eigenmächtig und suchte sich eine Lehrstelle in einer Druckerei. Die in den Luftschutzkellern aufgestellten Linotypes entfachten in ihm eine erste Begeisterung für den Buchdruck. Kurz nach Kriegsende, seine Großmutter war inzwischen mit ihm von Nürnberg nach Süddeutschland gezogen, packte er erneut seine wenigen Habseligkeiten, um bei seinem väterlichen Freund Heinrich Wendel in Lorch Unterschlupf zu finden. Wendel war Ausstattungsleiter am Nürnberger Theater gewesen, Blank seinerseits jobte als Statist bei der Oper, träumte von einer Karriere als Opernsänger und begeisterte sich für die »Künstlernatur« seines neuen Freundes. Wendel war es auch, der Herbert Blank in die Anthroposophie einführte. Nach kurzer Lehrlingstätigkeit in einer Bäckerei, brachte Wendel ihn in der Stuttgarter Familie Erich von Houwalds unter, dessen drei Söhne im Krieg gefallen waren. Die anschließenden Jahre auf der Waldorfschule in der Haußmannstraße festigten die Sympathie für die Anthroposophie und die Liebe zu Goethe und der klassischen Literatur.

Nach der Schule – inzwischen hatte er längst begonnen, Bücher zu sammeln – wurde sein Interesse für den Buchhandel geweckt. Bei Koch, Neff & Oetinger bekam er das wirtschaftliche Rüstzeug für seine spätere eigene Firma und in der Exportabteilung einen wichtigen Einblick in die internationalen Verflechtungen des Buchhandels, bevor er in den Verlag Freies Geistesleben wechselte, den er ab 1956 für 10 Jahre als Geschäftsführer leitete.

Seine ersten Kataloge nach dem Sprung in die Selbständigkeit 1965 spiegelten noch die ganze Welt der geisteswissenschaftlichen Themen wider. Dann begann er, Erstausgaben seiner Jugendliebe Johann Gottlieb Fichte zu sammeln (als Verleger gab er selber Fichte-Texte heraus), bevor sich allmählich die späteren Spezialgebiete, Erstausgaben der Goethezeit und Literatur des 20. Jahrhunderts, vor allem der Exilliteratur, aufgrund eigener Interessen herauskristallisierten. Vom Sammler zum Antiquar – diesen Werdegang teilte Herbert Blank mit vielen seiner Kollegen.

Herbert Blank lebte das Antiquariat und hat sein ganzes Leben daran ausgerichtet. Seine in aller Welt verstreuten Kundinnen und Kunden, mit denen ihn oft auch eine persönliche Freundschaft verband, schätzten den hohen Maßstab, den er an sich und seine Bücher legte, schätzten seinen immensen Sachverstand und die hohe Qualität und Authentizität seiner Bücher und Beschreibungen in über 50 Katalogen, die im Laufe der Jahre entstanden sind.
Blank pflegte diese treue Kundschaft, besonders auf der Stuttgarter Antiquariatsmesse, die er seit 1971 ununterbrochen mit einem Stand bereicherte, und er konnte sich immer auf sie verlassen. Ohne sie wären die über Jahre zusammengetragenen Sammlungen und die entsprechenden Themenkataloge nicht möglich gewesen.

Im hohen Alter widmete er sich noch seinem, wie er einmal sagte, wichtigsten Projekt, einer »Herzensangelegenheit«; indem er eine von seiner zweiten Frau Inge Thöns begonnene Arbeit vollendete. Thöns, Schriftstellerin, Lektorin im Verlag Urachhaus und kongeniale Partnerin, war 2014 nach langer Krankheit gestorben. Sie besaß das Gästebuch der Pariser Exilbuchhandlung »Librairie Au Pont de l`Europe«, mit zahlreichen Einträgen bekannter Autoren und Personen des kulturellen Lebens. Die von ihr bereits weitgehend ausgearbeitete Geschichte der Buchhandlung vollendete Blank mit Kurzbiographien zu den eingetragenen Personen. Das Buch erschien 2018 im Wallstein Verlag Göttingen.

Zusammen mit Inge Thöns veranstaltete er in den 90er Jahren zuhause auch literarische Salons, zu denen er namhafte und teils auch befreundete Schriftsteller und Schriftstellerinnen einlud. Es kamen Hans Mayer, Hans Magnus Enzensberger, Hilde Domin, Arnold Stadler, Urs Widmer, Christoph Meckel, Herbert Heckmann, Siegfried Lenz, um nur einige zu nennen. Inge Thöns war es auch, der auf der Stuttgarter Messe die Aufgabe der Souffleuse zufiel, da Blank sich, wie er mir einmal gestand, keine Gesichter merken konnte. Ihre Urlaube führten sie in den ersten Jahren immer nach Saas Fee in den Schweizer Alpen, später dann in die von beiden so geliebte Provence.

Als ich Herbert Blank wenige Tage vor seinem Tod noch einmal besuchte, ging er schon auffällig gebückt. Seine Kurzatmigkeit, die ihn schon seit einigen Monaten plagte, hinderte ihn aber nicht am Reden. Er sprach über seine Bücher, über gelesene Lektüre, was er alles noch vorhatte und was wohl nicht mehr möglich sein würde. Er bedauerte die »Müdigkeit, die ihn am Arbeiten hindere«, beschwerte sich aber nie über Krankheiten oder Gebrechen.

Als ich mich zum Abschied wandte, sagte er mir den Satz, den ich von ihm nicht zum ersten Mal hörte: »Ich bin für alles dankbar«.

 

 

 

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