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Ein Nachruf auf Eckard Düwal von Prof. Dr. Wilhelm Schmidt-Biggemann

Es war schon etwas Besonderes, wenn man zuerst in das Ladengeschäft des Antiquariats Düwal kam, sofern man an Büchern ein sinnliches und intellektuelles Interesse hatte. Intellektuelles Interesse vorausgesetzt, aber sinnliches Interesse? In vielerlei Hinsicht: die hohen Regale und die Leitern, die an Spitzwegs Bibliothekar erinnerten und im Übrigen auch Schwindelfreiheit erforderten; wer Lust an Büchern hatte, fand in diesem Antiquariat den besonderen Bücherduft, den die Liebhaber schätzen, er konnte die Bücher in die Hand nehmen und anschauen, ein fühlbares Interesse, denn es waren wirkliche Bücher. „Papierbacken“ verabscheute Düwal, sie kamen höchstens in den Bücherkarren, aber eigentlich gar nicht in den Laden. Was er kaufte und was er verkaufte, musste Format und Bindung haben. Es war ein Laden mit unüberschaubaren Schätzen, und die schätzbarsten der Schätze waren nicht im Laden, sondern in den hinteren, ihrerseits für Außenstehende unzugänglichen, geheimnisvollen Räumen. Man war, wenn man die vier Meter hohen Regale ansah und sich traute, sie mit Leitern zu erforschen, in einer Universalbibliothek; ein Studium der klassischen Philologie, der Geschichte, der Literaturwissenschaften in europäischen Sprachen, besonders der Germanistik; Kulturgeschichte der Welt; Rechtsgeschichte, Enzyklopädik, Kunstgeschichte und vor allem: Literatur. Und man konnte das alles in die Hand nehmen und durchblättern – und wenn man nicht vorher von der Fülle entmutigt wurde, konnte man die Bücher auch kaufen. Umsonst waren sie nie, aber ihren Preis waren sie wert.

Eckard Düwal, Sohn einer Kriegerwitwe, hat schon als Student der Germanistik an der Freien Universität Berlin in den frühen 1960er Jahren mit antiquarischen Büchern gehandelt. Er hat mit einem Bücherwagen angefangen, zwanzig Jahre später besaß er das größte Antiquariat in Berlin. Er hatte ein gutes Händchen; Erstausgaben von Literatur und Philosophie waren seine Stärke; und je erfolgreicher er war, desto höher wurden seine Ansprüche: Seine Autographensammlung reicht von Novalis über Rilke bis Arno Schmidt und Uwe Johnson. Wenn man sein Vertrauen erlangt hatte, kam man gelegentlich über die Schwelle der allgemeinen enzyklopädischen Bildungsbibliothek, die die Außenseite seines Antiquariats ausmachte, hinaus. Im Innern gab es die besten Gesamtausgaben deutscher Philosophen und Dichter, barocke Schätze, so gut wie die gesamte Literatur der klassischen deutschen Moderne in Erstausgaben. Aber nur wenig davon stand zum Verkauf, und wenn überhaupt, dann als Doubletten, denn Eckard Düwal war selber Sammler, und er hütete seine Schätze.

Er war ein guter und ein maßloser Einkäufer. Hunderte von Bücherkisten mit immer interessanten Ankäufen stapelten und stapeln sich im Keller und im Hinterhaus seines Antiquariats – die Fülle dieser Schätze ist noch nicht gehoben, und Düwals Nachfolger im Antiquariat, Julian Brandis, hat hier eine ebenso langwierige wie dankbare Aufgabe. Eckard Düwal war ein geschickter Käufer und Verkäufer bei Auktionen; seine Erfahrung und Expertise stellte er seinen Kunden und Freunden zur Verfügung. Und dann bekam man (fast) immer das erwünschte Buch.

Und er war ein großer Causeur. Er kannte von den Berliner Intellektuellen und Künstlern so viele wie keiner sonst, denn sie waren seine Kunden. Über viele Jahre gab es Samstagsmorgens eine offene, halbinstitutionalisierte Gesprächsrunde, nie ohne Wein, und da wurde alles beredet, was mit Büchern, mit philosophischen Themen, und mit intellektuellem und persönlichem Klatsch zu tun hatte. Man kam aus diesen regelmäßigen Treffen immer gleichermaßen mit nützlichem und unnützem Wissen davon, und selten ohne gekaufte Bücher.

Das Antiquariat Düwal war eine Institution enzyklopädischer Intellektualität, in dem der Gedanke Buch geworden war. Eckard Düwal, der dieses Schlaraffenland des Geistes ermöglicht hat, ist am 17. Januar 2024 nach langer Krankheit mit 79 Jahren verstorben. R.I.P.

 

 

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