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18. Juli 2022
Hinter jedem Antiquariat steht ein kluger Kopf. Antiquarinnen und Antiquare versinken in Büchergebirgen und Graphikmappen, verbergen sich hinter Computerbildschirmen, Antiquariatskatalogen, Angebotslisten, Websites und Onlineshops. Man trifft sie auf Antiquariatsmessen und in ihren schönen Ladenlokalen, manchmal sogar in Krimiserien. Barbara van Benthem und Sibylle Wieduwilt haben sich auf die Reise begeben und die Kollegen des Verbandes Deutscher Antiquare für eine Reihe von Interviews besucht und mit ihnen gesprochen. Sie haben viel zu erzählen. Heute geht es nach Bamberg zu Dieter Zipprich, Schatzmeister des Verbandes:
Woran arbeitet der Vorstand gerade?
Gerade wurde der Vorstand neu gewählt und wir raufen uns in anderer Besetzung zusammen.
Vorrangig beschäftigt uns die Vorbereitung der Messe im Juni kommenden Jahres. Die gewohnten Räume im Stuttgarter Kunstverein stehen noch nicht wieder zur Verfügung, wir weichen einmalig aus nach Ludwigsburg und wollen aus der Situation in jeder Hinsicht das Beste für alle machen.
Auf unserer Website wird demnächst ein »Schaufenster« als Button freigeschaltet.
Das novellierte Kulturgutschutzgesetz (KGSG) und dessen Implementierung erweist sich schon seit geraumer Zeit als Dauerbrenner. Wir versuchen erneut Einfluß zu nehmen auf Setzung vernünftiger Wertgrenzen bei der Ausfuhr: Handschriften und Inkunabeln müssen derzeit ab dem Wert € 0.- und dem Alter von 50 Jahren von den Behörden auf ihre nationale Bedeutsamkeit geprüft werden ...
Uns beschäftigt außerdem die neue Verpackungsverordnung (EPR), nach der jeder Versender ab dem 1. Juli 2022 in jedem EU-Land gesondert eigens sich registrieren lassen muß, jedes Land hat dabei eigene Regeln und wir befürchten eine Abmahnwelle .
Was sind die wichtigsten Aufgaben des Verbandes?
Die Antiquariatsbranche ist gesamtwirtschaftlich gesehen ein winziger Nischenmarkt und wird vom Gesetzgeber u.U. gar nicht wahrgenommen. (Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang z.B. auch daran, wie Freiberufler in der Coronakrise sich erst nach und nach mühsam in Erinnerung bringen mußten).
Der VDA kann, - auch dadurch, daß er innerhalb der ILAB international verknüpft ist, eine Stimme in der Öffentlichkeit und der politischen Landschaft für die Bedürfnisse der Antiquare sein. Der VDA kann durch sein Know-How und seine finanziellen Mittel eine der besten Antiquariatsmessen der Welt ausrichten und dadurch ein Forum auch für Nicht-Mitglieder schaffen. Der VDA kann den Antiquariatshandel durch selbst auferlegte Qualitätskriterien, Ethics und Compliances auf ein bestimmtes Niveau heben, das für eine fruchtbare Kontinuität der Geschäftsbeziehungen seiner Mitglieder sorgt.
Warum engagierst Du Dich für den VDA?
Weil bei meinem ersten »Messeauftritt« (Leipziger Buchmesse) zufällig alle meine Standnachbarn VDA-Mitglieder waren und diese mich als blutigen Neuling sehr freundschaftlich und hilfreich behandelt haben, das vergisst man nicht. Ich habe dann die Seminare des Verbands besucht. Die fanden damals zum Glück immer in München statt, dadurch brauchte ich kein Hotelzimmer und berappte brav den Nicht-Mitglieder-Preis. Der Umgang dort miteinander und die Flut an Informationen haben mich beeindruckt. Ich habe den VDA als ein durch idealistisches Engagement gut geöltes Räderwerk kennengelernt und davon profitiert. Es macht Freude, etwas zurückzugeben und den Mechanismus ein bisschen mit am Laufen zu halten.
Was ist das Positive und was das Negative an der ehrenamtlichen Arbeit für den Verband?
Der Schatzmeister wirkt im Verborgenen. Es sind viele Stunden, die man aufwendet und manchmal genau dann, wenn im Laden eigentlich etwas anderes Wichtiges ansteht. Aber ich will nicht meckern: es ist schön zu sehen, wie die Mitglieder durch ihre Beiträge die Notwendigkeit unserer Sache honorieren; es ist auch immer wieder eine große Freude, mit den Kolleginnen und Kollegen vom Vorstand zusammenzutreffen, zu planen und gemeinsam etwas erreichen zu können. Und es weitet in vielerlei Hinsicht den persönlichen Horizont!
Nach über 2 Jahren Zwangspause startet die Antiquariatsmesse im Juni nächsten Jahres neu. Wie stellst Du Dir den Neubeginn vor?
Der ungewohnte Termin soll die Covid 19-Gefahr und eine damit einhergehende Absage minimieren. Im Juni ist es sommerlich, es lebt und atmet sich leichter, als mit klammen Zehen im Januar – allein das wird wohltuenden Einfluß auf die Atmosphäre der Messe haben. Aussteller und Kunden haben nach zwei Jahren Abstinenz Nachholbedarf, freuen sich auf ein Wiedersehen und den gewohnten Trubel. Und: es wird die Nummer 60 der Stuttgarter Antiquariatsmesse sein, im schicken »Forum« in Ludwigsburg, einen Katzensprung entfernt zur »Antiquaria« – durch all das wird, denke ich, ein anregend frischer Windhauch die Reihen durchziehen, fast so etwas wie ein Neubeginn. Die Messe hat die Chance, sich in anderer Gewandung zu erleben, das kann in der Folge zu unvorhersehbaren Ideen führen.
Als Schatzmeister trägt man eine besondere Verantwortung. Worin sollte der Verband investieren und wo siehst Du Einsparmöglichkeiten?
Schön ist es, bei der Jahreshauptversammlung verkünden zu dürfen, daß es keine unerwartet großen Ausgaben übers Jahr gegeben hat (und wenn es sie gegeben hat, deren Notwendigkeit und künftige Vermeidbarkeit aufzeigen zu können). Schatzmeister sind schmallippig. Die Mitgliedsbeiträge, von den Kolleginnen und Kollegen durch Fleiß und Klugheit erarbeitet, werden aber nicht nur von mir, sondern vom ganzen Vorstand in seiner Arbeit und Planung mit großem Verantwortungsbewußtsein behandelt – ich mußte bis jetzt nie aufstehen und sagen »He, Moment mal!« Ich würde es aber tun. Der Verband steht derzeit finanziell gut da, eben auch weil wir grundsätzlich sparsam agieren. Schade finde ich immer die Ausgaben für Rechtsberatung und »Interessengemeinschaft Kunsthandel«, der wir notgedrungen angehören, - weil wir diese Kosten einer weltfremden Politik zu verdanken haben, gegen die wir uns zu wehren versuchen. Die zwei Jahre Viruskrise haben uns ganz automatisch einige Kosten erspart: Das Handbuch wurde terminlich verschoben, unsere Vorstandstreffen fanden virtuell statt.
Investieren sollte der Verband weiterhin und verstärkt in seine Messe ! Sie und deren Öffentlichkeitsarbeit besonders, ist es, die ihn nach draußen wahrnehmbar macht. Auch Kollegen, die nicht in Stuttgart ausstellen, profitieren indirekt vom guten Leumund und Bekanntheitsgrad ihres Verbandes in der Öffentlichkeit. Vielleicht sollte man auch über ein weiteres, kleineres Engagement des VDA im Rahmen einer der Buch- oder Antiquitätenmessen nachdenken, das könnte auch ad hoc und als pop-up geschehen. Investieren auch in Maßnahmen, die geeignet sind, mehr internationale Aussteller nach Stuttgart locken. Phantasie!
Welches Buch sollte ein Antiquar unbedingt lesen bzw. gelesen haben?
Sein Sparbuch – damit im Ernstfall nicht der Ankauf des Lebens wegen schlecht gefüllter Kriegskasse durch die Lappen geht.
Was tust Du, wenn kein Buch in der Nähe ist?
Das wäre ja der Albtraum schlechthin! Aber in der Küche liegt für diesen Fall immer noch bereit:
Löbenberg, B.: Das deutsche Sparkochbuch für Kriegs- und Friedenszeit... München 1916.
Dann koch´ ich uns was Feines!
ZUR PERSON
Magisterstudium der Philosophie, Germanistik und Psychologie an der LMU München. Nebenbei tätig in div. Institutsbibliotheken. 1998 Übernahme eines kleinen, schon seit 30 Jahren bestehenden Ladenantiquariats in der Münchner Max-Vorstadt. Vor 7 Jahren Umzug nach Bamberg. Dort stehen nun etwas größere Räumlichkeiten für Besuche nach Voranmeldung zur Verfügung; Messebesuche und Versandantiquariat. Schwerpunkte: Alte Drucke, Barock, Bibliophilie, Landeskunde, Literatur. Als Spezialität: traditionell gefertigte Buntpapiere aus hauseigener Werkstatt. Verbandsmitglied seit 2012, im Vorstand seit 2018.
Antiquariat Dieter Zipprich
Obere Dorotheenstraße 5A
96049 Bamberg
Tel. 0951 / 50 99 3200
Mobil 0151 / 75 40 98 15
→ www.antiquariat-zipprich.de
→ antiquariat.zipprich[at]freenet[dot]de
Geschäftsstelle: Norbert Munsch
Seeblick 1, 56459 Elbingen
Fon +49 (0)6435 909147
Fax +49 (0)6435 909148
E-Mail buch[at]antiquare[dot]de