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15. August 2022
Hinter jedem Antiquariat steht ein kluger Kopf. Antiquarinnen und Antiquare versinken in Büchergebirgen und Graphikmappen, verbergen sich hinter Computerbildschirmen, Antiquariatskatalogen, Angebotslisten, Websites und Onlineshops. Man trifft sie auf Antiquariatsmessen und in ihren schönen Ladenlokalen, manchmal sogar in Krimiserien. Barbara van Benthem und Sibylle Wieduwilt haben sich auf die Reise begeben und die Kollegen des Verbandes Deutscher Antiquare für eine Reihe von Interviews besucht und mit ihnen gesprochen. Sie haben viel zu erzählen. In Hamburg haben wir das dienstälteste Vorstandsmitglied getroffen – Meinhard Knigge.
Woran arbeitet der Vorstand gerade?
Im Augenblick herrscht Ruhe vor dem Sturm, da Sommerferien sind. Wir bereiten – wie Kollege Zipprich schon verraten hat – eine neue Funktion auf unserer Webseite vor und müssen uns natürlich auch um die aktuellen Dinge wie Verpackungsverordnung etc. kümmern. Richtig mit Arbeit wird es im Spätsommer wieder losgehen, wenn wir uns voraussichtlich zu einer Live-Sitzung treffen werden. Die Vorbereitungen für die Antiquariatsmesse Stuttgart beginnen – bedingt durch den Ortswechsel – früher als gewöhnlich. Wir müssen Vieles neu machen und können nicht in unserer gewohnten Routine verharren. Aber das macht die Arbeit ja auch spannend und anregend. Ich freue mich schon auf unsere Gespräche, Telefonate und den regen E-Mailverkehr.
Was sind die wichtigsten Aufgaben des Verbandes?
Die wichtigste Aufgabe ist natürlich weiterhin unsere Messe. Aber nicht weniger von Bedeutung und in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund getreten ist unsere Öffentlichkeits- und Pressearbeit. Es wird von Jahr zu Jahr schwieriger unseren Beruf im Bewusstsein wenigstens der kulturell interessierten Teile der Bevölkerung zu halten. Durch das Verschwinden von immer mehr Ladengeschäften in den letzten Jahrzehnten haben wir viel Präsenz in der Öffentlichkeit verloren. Wir versuchen durch das Bespielen der sozialen Medien vermehrt Zugang zu jüngeren Menschen und Sammlern zu erhalten. Der vom Verband ausgeschriebene »Preis für junge Sammlerinnen und Sammler« unterstützt unsere Arbeit dabei sehr gut.
Warum engagierst Du Dich für den VDA?
Ich gehöre nicht zu denjenigen, die einen ausgeprägten Egotrip fahren. Da gehört etwas Engagement schon mit dazu. Konkreter: Ich habe in meiner nun schon 40 Jahre andauernden Arbeit als Antiquar immer wieder Kolleginnen und Kollegen kennengelernt, die ihre Erfahrungen mit mir geteilt haben und von denen ich sehr viel profitiert habe. Warum sollte ich das nicht auch selber so halten und meine eigenen Erfahrungen in den Dienst anderer stellen? Außerdem: wir sind eine sehr kleine, sehr spezialisierte Berufsgruppe und müssen ungemein darauf bedacht sein, in der Öffentlichkeit und der Politik Beachtung zu finden. Da kann ein Einzelner allein ja überhaupt nichts erreichen, aber wenn wir unser Geld und unsere Kraft zusammenpacken, haben wir diese Möglichkeiten. Wir gewinnen alle durch gemeinschaftliche Unternehmungen, sei es APO (das vom Verband gemanagte Auktionspreisverzeichnis), sei es der »Gemeinschaftskatalog der Antiquare« der GIAQ oder sei es – last but not least – die Antiquariatsmesse Stuttgart. Von dieser profitieren im Übrigen nicht nur die Aussteller sondern auch alle anderen Kolleginnen und Kollegen, ich glaube sogar auch dann, wenn sie die Messe nicht einmal besuchen.
Was ist das Positive und was das Negative an der ehrenamtlichen Arbeit für den Verband?
Positiv ist vor allem, dass ich auch durch meine Funktion als Redakteur des Messekataloges mit recht vielen unserer Mitglieder zumindest zeitweise in sehr engem Kontakt stehe. Das befruchtet sehr. Positiv ist auch, dass ich mich mit vielen Themen beschäftigen muss, die ich sonst nicht beachtet hätte. Das ist lebenslanges Lernen über den eigenen Horizont hinaus. Negativ ist natürlich, dass die Tätigkeit doch eine Menge Zeit verschlingt. Ich könnte ja auch das machen, was ich als Antwort auf die letzte Frage angebe.
Nach über 2 Jahren Zwangspause startet die Antiquariatsmesse im Juni nächsten Jahres neu. Wie stellst Du Dir den Neubeginn vor?
Befreiend von der durch Covid19 aufgezwungenen Passivität im beruflichen Bereich. Vielversprechend durch die neue, moderne und den Ansprüchen der Messe hervorragend angepasste neue Lokalität in Ludwigsburg. Angenehm durch den Wechsel in eine Jahreszeit, die es Besuchern und Ausstellern leichter macht, eine Messe zu besuchen als im widrigen Winterwetter. Ich hoffe außerdem, dass unsere Kunden die lange »Zwangspause« hinter sich lassen wollen und sehr viele von ihnen voller Elan und Kauffreude nach Ludwigsburg kommen.
Du bist seit nunmehr 10 Jahren Mitglied des Vorstands. Woher nimmst du Deine Motivation?
Das frage ich mich auch manchmal.
Welches Buch sollte ein Antiquar unbedingt lesen bzw. gelesen haben.
Die sechste (Jugendstil-Ausgabe) von Meyer’s Großes Konversations-Lexikon:
1. weil ich im Verlag dieses Lexikons, dem Bibliographischen Institut, gelernt habe.
2. weil es ein sehr gutes Lexikon ist.
3. weil es Kollegen gibt, die gerne daraus zitieren, ohne dies kenntlich zu machen.
Was tust Du, wenn kein Buch in der Nähe ist?
Es ist zwar meist ein Buch zur Hand, aber wenn ich nicht lesen möchte, höre ich klassische Musik des 18. und 19. Jahrhunderts. Ich kann aber auch die Seele baumeln lassen.
ZUR PERSON
Ausbildung zum Verlagsbuchhändler im Bibliographischen Institut in Mannheim; breit gefächertes geisteswissenschaftliches Studium in Mainz, Heidelberg und Stuttgart, jedoch ohne Abschluss; ab Winter 1985 tätig im Auktionshaus Hauswedell & Nolte, ab 1989 bei Henner Wachholtz, beide in Hamburg; im Herbst 1995 Gründung des eigenen Antiquariates mit den Schwerpunkten Technik, Handwerk, Naturwissenschaften, mittlerweile ausgeweitet auf Architektur und Kunst sowie interessante Bücher anderer Bereiche; Mitglied im Verband seit 1999, im Vorstand seit 2012.
Meinhard Knigge
Antiquariat
Technik – Handwerk – Naturwissenschaften – Architektur – Eisenbahn
Lübecker Straße 143
22087 Hamburg
Tel. +49 (0)40 250 09 15
→ knigge.antiquariat[at]t-online[dot]de
Geschäftsstelle: Norbert Munsch
Seeblick 1, 56459 Elbingen
Fon +49 (0)6435 909147
Fax +49 (0)6435 909148
E-Mail buch[at]antiquare[dot]de