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Buch und Kunst vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert
46. Seminar für Antiquare vom 1. bis 4. September 2016 in Wolfenbüttel und Umgebung

Ein »echtes Feuerwerk« schwärmt ein Antiquar, sei dieses Seminar gewesen, und sicher werden die  anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer diese Begeisterung teilen: Regina Kurz, Hermann Wiedenroth und Eberhard Köstler (der leider verhindert war) hatten ein überreiches Programm zusammengestellt. Manchem war es fast zu vollgepackt, denn die Dome und Domschätze von Quedlinburg und Halberstadt hätte man zu gern auch besichtigt und so noch mehr von der »Pracht des Mittelalters am Harz« erlebt. Aber eine knapp viertägige Studienreise – denn zu einer solchen wurde das 46. Seminar in Wolfenbüttel – kann vieles nur anreißen und anregen.

Der vielbeschworene »Wohlfühlfaktor« erreichte ungeahnte Höhen, wozu nicht zuletzt das spätsommerliche Wetter und die gemeinsame Unterbringung im Parkhotel beitrugen Ein Frühstück auf der Terrasse in der Morgensonne machte eine fehlende Bar durchaus wett und es fanden sich selbst im gastronomisch etwas unterversorgten Fachwerkstädtchen genügend Orte für den nächtlichen Absacker.

Wir sind die Kultur

Hauptschauplatz der Fortbildung war die Bibliotheca Augusta, Zentrum des aus neun Gebäuden bestehenden Bibliotheksquartiers unweit des Wolfenbütteler Schlosses. Leibnizhaus und Lessinghaus, nach diesen und den beiden wichtigen, im 20. Jahrhundert hier agierenden Bibliotheksleitern Erhart Kästner und Paul Raabe benannte Straßen und Plätze weisen auf den Stellenwert der Herzog August Bibliothek hin – »wir sind hier die Kultur« heißt es selbstbewusst. Die 160 Angestellten sowie rund 200 Stipendiaten und Studiengäste im Jahr werden gewiss auch als Wirtschaftsfaktor wahrgenommen; in der Szene ist der Ortsname Wolfenbüttel das Synonym für die Bibliothek wie Marbach für das Deutsche Literaturarchiv. Diese beiden Einrichtungen bilden zusammen mit Weimar einen Verbund, der durch Forschungsprojekte und Ausstellungen größere Aufmerksamkeit auf die Sammlungen lenken und so der Forschung Impulse geben soll.


Zum ersten Mal in der Augusteer-Halle zu stehen, ist ein wirkliches Erlebnis. Hermann Wiedenroth fand die richtigen Worte: Ein »magischer Ort« sei es, »diese Aura« entführe in »eine andere, herrliche Welt«. Vermutlich können sich auch weniger buchaffine Menschen als Antiquare dieser Aura nicht entziehen.
Nach der Begrüßung durch den neuen Direktor Prof. Peter Burschel erfuhren wir einiges zur Geschichte, die hier kurz erinnert sei.
 

Achtes Weltwunder in Wolfenbüttel

Die Geburtsstunde, beziehungsweise der Gründungsakt wird auf 1572 datiert, als Herzog Julius eine »Liberey-Ordnung« für den ersten Bibliothekar erließ, doch bereits zwanzig Jahre vorher hatte er mit der Erwerbung von Büchern für seine Sammlung begonnen. Anders als sein Vater Heinrich der Jüngere favorisierte er den Protestantismus, führte die Reformation ein und (sagen wir es drastisch) plünderte die Klöster um ihn interessierende Handschriften. Die Universität Helmstedt erhielt bei ihrer Gründung seine auf 4300 Bände angewachsene Bibliothek; die Rückführung des größten Teils der Bestände geschah im 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Kein direkter Nachkomme von Julius, aber ein Nachfolger im Geiste war Herzog August der Jüngere (1579–1666), der erst ab 1635 als Herzog zu Braunschweig-Lüneburg und Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel regierte. Doch schon zuvor in Hitzacker hatte er eine Büchersammlung angelegt, die er 1644 in 55 Kisten nach Wolfenbüttel transportieren ließ.

Er entwickelte selbst eine Systematik nach zwanzig Sachgruppen, erdachte Signaturen, beschriftete die Pergamenteinbände eigenhändig und ordnete die Bände platzsparend nach Größe. Selbst den Katalog hat er selbst geführt, noch heute sind diese voluminösen Verzeichnisse auf dem Bücherrad zu sehen.
Nie kaufte er eine geschlossene Sammlung, sondern wählte mittels Agenten Einzeltitel aus, bekam allerdings auch viel geschenkt, so von Johannes Kepler oder Athanasius Kircher.
Seine Bibliothek war mit 135 000 Handschriften und Drucken seinerzeit die größte nördlich der Alpen und galt als ein Weltwunder.
In seinem Testament verfügte August, dass die Sammlung, die der Öffentlichkeit schon zu seinen Lebzeiten zugänglich war, unverändert zusammenbleiben und von gelehrten Männern geleitet werden sollte. Da sie bis heute geschlossen aufgestellt ist, gibt sie ein Bild des 17. Jahrhunderts, zumal sie neben den hehren Wissenschaften auch Flug- und Alltagsschriften, somit Dokumente der Zeitgeschichte enthält.
 

Die Bibliothekare Leibniz, Lessing, Kästner und Raabe

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts – Gottfried Wilhelm Leibniz war damals Bibliothekar – wurde durch Hermann Korb ein neues Gebäude mit prächtigem Kuppelsaal errichtet, in dem dann später Gotthold Ephraim Lessing arbeitete. Ein Jahrhundert nach Lessings Tod, 1881, wurde die baufällig gewordene Bibliothek durch ein neues prunkvolles Gebäude ersetzt, das nach Umbauten in den 1960er- und 70er Jahren bis heute beeindruckt.
Berühmte Bibliothekare waren Erhart Kästner von 1950 bis 1968 und danach Paul Raabe bis 1992. Unter seiner Ägide wurde die Bibliothek zu einer internationalen Forschungs- und Studienstätte für europäische Kulturgeschichte ausgebaut.
Demnächst ist die Sanierung wegen Brandschutzauflagen geplant, die großformatigen Schätze der Augusteer-Halle müssen dafür in das soeben fertig gestellte Neue Magazin umziehen. Wir hatten die Gelegenheit, diesen Neubau mit seinen noch leeren Rollregalanlagen zu besichtigen und von Almuth Corbach Details zur Unterbringung von 21 Kilometern Buchbestand und 150 Gemälden in den drei Etagen zu erfahren, daneben alles über Klimatisierung und Feuerschutz.

Mehr als anderthalb Tage hätten wir gebraucht, um auch nur oberflächliche Blicke in alle zur »HAB« gehörenden Gebäude zu werfen, in denen die Archiv-, Verwaltungs-, Arbeits-, Veranstaltungsräume, die Katalog- und Leihzentren, die Restaurierungswerkstätten etc. untergebracht sind.
Allerdings fühlte man sich schon in der großen Halle der Bibliotheca Augusta mit ihren elegant in Pergament und Schweinsleder gekleideten Buchreihen, den Galerien und Geländern unter der hohen Kuppeldecke ein bisschen wie in Borges’ labyrinthischer »Bibliothek von Babel« …
In tiefer gelegenen Kabinetten sind Globen und Landkarten zu sehen, außerdem eine Sammlung von Künstlerbüchern des 20. Jahrhunderts (Kästners Lieblingssammelgebiet) mit Wechselausstellungen, derzeit über 30 Jahre Zusammenarbeit der Künstlerinnen Uta Schneider und Ulrike Stolz (usus): »buch.räume.sprach.bilder«. 

Ein Raum ist dem Typografen Hermann Zapf gewidmet, dessen Nachlass in Wolfenbüttel liegt, und über den Dr. Nikolaus Weichselbaumer einen der anschaulichsten Vorträge hielt. Wer sich einst über den Zeichensatz der Zapf Dingbats als Zugabe zum ersten Apple-Computer amüsiert hatte, konnte über diesen Tausendsassa nur staunen: Zapf war Kalligraph mit gestochener Handschrift, hat als Buchgestalter die meisten Preise für das schöne Buch abgesahnt, (oft in Zusammenarbeit mit seiner Frau Gudrun) über 200 Schriften entwickelt und sich als einer der ersten Schriftgestalter mit Computer-Typografie befasst.
 

Astronomie, Astrologie, Alchemie

Dr. Petra Feuerstein-Herz, vielen Antiquaren schon persönlich bekannt, betreut seit einem Vierteljahrhundert die Sammlung alter Drucke – zu Recht als »Sammlung Feuerstein« bekannt –, berichtete über Hintergründe der Bestandsergänzungen, erntete Zustimmung für ihre Bemerkung, dass inzwischen beim Erwerb mehr als früher auf die Einbände und die Provenienz Wert gelegt würde, und zeigte einige ihrer Schätze aus den Gebieten Naturwissenschaft und Alchemie.
Beeindruckend ist dann immer, Preziosen in Augenschein zu nehmen wie etwa Leonhard Thurneyssers Archidoxa, ein großformatiges Buch in Form eines Astrolabiums mit Planetentafeln, eine Art frühes Pop-up, oder die »Rudolfinischen Tafeln« zu den Planetenkonstellationen mit einer Widmung Johannes Keplers für Herzog August von 1627, und zu erfahren, dass beide zusammen in Tübingen bei Nestlin studiert hatten.
Für Astronomie, Astrologie, vor allem für Alchemie ist Wolfenbüttel ein Kompetenzzentrum, das zeigte jüngst auch eine Ausstellung »Goldenes Wissen – Substanzen, Synthesen – Symbole« ein Thema, über das man auch gern mehr erfahren hätte.
 

Pracht des Mittelalters

Dr. Christian Heitzmann präsentierte parallel einen Teil der Handschriftensammlung, die aus 12000 Stücken (2700 aus dem Mittelalter) besteht, davon sind bereits etwa 1000 digitalisiert, etwa auch eine »Faust«-Handschrift aus den 1580er Jahren, also zeitgleich mit den ersten Drucken entstanden, die von Herzog August angekauft, aber nicht mehr katalogisiert wurde, sie landete später unter Extravagantes.

In Vertretung der Kuratorin Patrizia Carmassi führte Christian Heitzmann zu Beginn des zweiten Seminartages durch die derzeitige Wechselausstellung, die dem »Retter der Antike« Marquard Gude (1635–1689) gewidmet ist. Als junger Mann konnte Gude in Begleitung eines reichen Holländers auf Kavalierstour durch Frankreich und Italien gehen und dort beginnen, mehr als 10 000 Handschriften und Drucke klassischer Autoren zu sammeln und philologisch zu bearbeiten. Die meisten mittelalterlichen Handschriften aus seiner Sammlung wurden auf Anregung des damaligen Wolfenbütteler Bibliothekars Gottfried Wilhelm Leibniz 1710 durch Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Lüneburg erworben. Bis Januar 2017 ist die beeindruckende Ausstellung in der Augusteer-Halle noch zu sehen, mit Drucken, Inkunabeln, Briefen, Porträts, griechischen und lateinischen Handschriften, darunter dem ältesten Text der Herzog August Bibliothek, ein Ovid-Fragment aus dem 5. Jahrhundert.
 

Kupferstichkabinett online

Der Verzeichnung der frühneuzeitlichen Grafikbestände im »Virtuellen Kupferstichkabinett« war der Vortrag von Judith Talles gewidmet. Das Digitalisierungsprojekt realisiert die Herzog August Bibliothek in Kooperation mit dem Herzog Anton Ulrich Museum in Braunschweig, um repräsentative Teile ihre jeweiligen Grafiksammlungen – Druckgrafik bis 1800 – zusammenzuführen, rund 50 000 Blätter sind bereits digitalisiert und können mit Abbildungen und Beschreibungen über eine Suchmaske aufgefunden werden. Erweitert und modifiziert wird das Virtuelle Kupferstichkabinett durch die aktuellen Projekte Kupferstichkabinett online und Virtuelles Zeichnungskabinett, gefördert vom Land Niedersachsen beziehungsweise der DFG. Für Antiquare vielleicht nicht unbedingt so überraschend wie für Laien sind thematisch in große Bände gebundene oder in Buchdeckel eingeklebte Grafiken und leere Einbände, aus denen alle Blätter entnommen wurden. Immer wieder schweiften die Augen die Galerien entlang und es verwundert nicht, dass hier gelegentlich ganz zufällig Schätze gefunden werden.
Zum Beispiel Bände aus den Büchersammlungen der Augustiner-Chorfrauen in den bei Braunschweig gelegenen Stiften Steterburg und Heinigen, die nach der Reformation nach Wolfenbüttel kamen, 1572 inventarisiert. Einen Blick auf Psalter und Lehrschriften, Beutelbücher und Lesesteine gewährte Dr. Britta-Juliane Kruse in ihrer Power-Point-Präsentation, gern hätte man mehr über die Ausbildung der Frauen an den Stiftsschulen, den Gebrauch der Bücher und überhaupt den Alltag der Chorfrauen erfahren.

Mit der ihm eigenen Verve und gewohnt reich an Anekdoten war Hermann Wiedenroths Vorstellung der Einband-Sammlung von Jürgen Eyssen. Die, mit privaten Mitteln entstanden, seit 1995 in Wolfenbüttel beheimatet ist – bibliografiert wurde sie von Wiedenroth, daher seine intime Kenntnis. Jürgen Eyssen, Jahrgang 1922, war seit 1963 leitender Direktor der Stadtbibliothek Hannover, publizierte über »Buchkunst in Deutschland vom Jugendstil zum Malerbuch«, schätzte aber nichts so sehr wie Meistereinbände, die teilweise von ihm bekannten Buchbindern für ihn angefertigt wurden; »Deutsche Handwerkskunst vom Feinsten«, schwärmte Wiedenroth. Es lag wohl hauptsächlich an der nachmittäglichen Temperatur im Bibelsaal und allgemeiner Ermüdung nach den vielen Eindrücken des Tages, dass der Begeisterungsfunke nicht mehr ganz so übersprang.
Das Abendessen im Bayrischen Hof ließ uns mit einem speziellen niedersächsischen Charme Bekanntschaft machen und die Stunden danach mit den hochgeklappten Bürgersteigen einer Kleinstadt.
 

Harzreise zu Klopstock, Feininger und Gleim

Für den Samstag standen Ausflüge nach Quedlinburg, seit kurzem Weltkulturerbe, und Halberstadt auf dem Programm, mithin eine Busfahrt am Harz entlang mit Blick auf »Vater Brocken«.

»Wer wird nicht einen Klopstock loben? / Doch wird ihn jeder lesen? – Nein. / Wir wollen weniger erhoben / und fleißiger gelesen sein.« Lessings Sinngedicht trifft den Punkt, so ergeht es vielen Klassikern und besonders dem Dichter des »Messias«.
Die Führung durch die extra für uns aus dem Ruhestand zurückgekehrte Kuratorin des Klopstockhauses war beispielhaft: Sie konnte uns ihren Protagonisten mit genau der richtigen Dosierung aus Fakten über Leben und Werk, Einordnung in das Gedankengut und die Literatur seiner Epoche, Rezeptionsgeschichte sowie hübsche Details wie seine Liebe zum »Schrittschuh« (!), seine Idee einer neuen Rechtschreibung oder des Vertriebs der »Gelehrtenrepublik« auf Subskriptionsbasis nahe bringen.
Im Klopstockhaus, wo der Dichter 1724 als ältestes von 17 Kindern geboren wurde und das seit 1889 Museum ist, wird außerdem an die erste deutsche promovierte Ärztin Dorothea Christiana Erxleben, den Pädagogen Johann Christoph Friedrich GutsMuths und den Begründer der wissenschaftlichen Geografie Carl Ritter erinnert. In diesem wunderbar altmodischen Museum mit enormen Mengen an Flachware könnte man viele Stunden verbringen.
Aber nebenan wartete die Lyonel-Feininger-Galerie, die zum Bauhaus gehört, bereits zur DDR-Zeit bestand und deren Basis die Sammlung seines Freundes Klumpp war. Feiningers Karikaturen, seine Landschaftsskizzen, Schiffsmodelle und Holzspielzeug (für seine Kinder) war sicher vielen unserer Gruppe vorher unbekannt gewesen.

Wie auch Johann Wilhelm Ludwig Gleim, der 1747 als Domsekretär nach Halberstadt kam und in diesem – inzwischen erweiterten Haus in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dom – ein Zentrum für seine Bücher- und Gemäldesammlung errichtete. Bekannt wurde er zum einen als »deutscher Anakreon«, zum anderen als Freund, der mit über 500 Korrespondenten in Verkehr stand, so kamen um die 10 000 Briefe zusammen, allein um die 1000 sind von und an »die Karschin« erhalten; ihr Standbild ist übrigens das erste deutsche Dichterdenkmal.
Geprägt von der Idee einer Schule der Humanität schuf er seinen »Tempel der Freundschaft«, bestehend aus Büchern (oft Belegexemplaren), Bildern – über fünfzig Jahre lang ließ er seine Freunde porträtieren und versammelte sie so um sich – und Briefen, zu denen auch Kinderzeichnungen oder etwa eine Verlobungskarte von Jean Paul gehören. Als Multiplikator wurde er von dem durchaus geschäftstüchtigen Schiller zur Verbreitung seiner »Horen« benutzt. Vortrag, Führung und Präsentation von Preziosen wie Lessings »Kleinigkeiten« durch die Direktorin Dr. Ute Pott und ihren Mitarbeiter Dr. Reimar Lacher waren lehrreich, spannend und vergnüglich.

Der Samstag endete in Wolfenbüttel, allerdings noch nicht zum Essen und Entspannen, denn zuvor gab es zwei Stadtführungen, eine auf Lessings, eine auf anderer Literaten Spuren. Dies war der einzige Programmpunkt, an dem nicht die geniale Idee der Gruppenteilung in »Rote« und »Grüne« griff, durch die alle 45 TeilnehmerInnen in den Genuss aller Vorträge, Führungen und Präsentationen kamen. Deshalb kann die Berichterstatterin nur Lessing vorstellen, der 1770 als Bibliothekar nach Wolfenbüttel kam, weil er seine Bücher dorthin verkauft hatte, »Emilia Galotti« zu Ende und den «Nathan« schrieb (eine Statue im Park erinnert daran), nach der Heirat mit Eva König ins sogenannte Lessinghaus, heute Museum, zog. Sie starb 1778 im Kindbett, Lessing überlebte sie nur um drei Jahre. Im Stadtbild sind im wesentlichen Häuser seiner Aufenthalte und seiner Bekannten zu sehen, aber das gemächliche Flanieren offenbarte noch einmal andere Blicke auf die uns nach anderthalb Tagen doch schon recht bekannten Straßen und Plätze.
 

Zuguterletzt Goethe und Bruno Cassirer

Der Sonntagvormittag lieferte noch einmal Überraschungen – nicht nur, dass der Bus pünktlichst abfuhr und die Verspäteten sehen konnten, wie sie nach Braunschweig kamen … Doch dann trafen sich alle in dem sehenswerten Antiquariat »Buch und Kunst« von Michael Kröger, alle Müdigkeit war angesichts des Sortiments verflogen, der Kaufrausch brach sich Bahn, Stapel wurden aufgehäuft und eingetütet.

Bis zum Vortrag von Dr. Dieter Strauss gerufen wurde, der (einst fürs Goethe-Institut in Brasilien tätig) frei und launig über »Goethes Wanderjahre in Lateinamerika und der Südsee« sprach, das heißt mit ungewöhnlichem Zugriff den Einfluss der Reiseliteratur auf Goethe, seine Münz- und Büchersammlungen dazu, seine Liebe zu fremden Völkern, seine Traumreisen und die Spuren der Welt in seinem Werk thematisierte.

Den krönenden Abschluss lieferte Dr. Markus Brandis mit einem erhellenden Vortrag über den Verlag von Bruno Cassirer in der Zeit des Nationalsozialismus. Bis 1938 blieb Cassirer in Deutschland, überzeugt vom Guten und der deutschen Kultur. Zwischen 1933 und 1936 publizierte er noch 38 Titel, teils von ausländischen, teils von kritischen, sogar von jüdischen Autoren; darunter waren Wolfgang Koeppen und Marie Luise Kaschnitz, die er entdeckte hatte, oder Karel Capek, dessen Gespräche mit Masaryk, ein extrem provokantes Werk, Cassirer verlegte. Sein Idealismus, man könne die Welt mit Büchern und Kultur verbessern, war ein schöner Gedanke und passend zum Schluss dieses Seminars.
Im schönen Garten des Auktionshauses Klittich-Pfankuch fand das Seminar 2016 mit eigens Gekochtem und Gebackenen einen herzlichen Abschluss, nicht ohne noch einmal auf die perfekte Organisation und Durchführung durch Regina Kurz und Hermann Wiedenroth anzustoßen.
Im nächsten Jahr geht es nach Bamberg und eine zahlreiche Teilnahme ist bereits garantiert.


Fotos: © Robert Schoisengeier

Weitere Fotos vom Seminar in Wolfenbüttel finden Sier → hier.

 

 

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