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25. November 2019
Nur selten wird die Verbindung zwischen Buch und Kunst so deutlich wie in diesem Genre der Buchgestaltung. Die Betrachter, ob Kinder oder Erwachsene, werden mit vielseitigen künstlerischen Mitteln in den Bann gezogen; ein idealer Kontrapunkt zum digitalen Zeitalter. In Stuttgart werden ausgesuchte Beispiele vorgestellt, die den buchkünstlerichen Charakter dieser großartigen Sammlung besonders herausstellen; Auflagendrucke, Pressendrucke oder Unikate.
Die Ausstellung bietet damit auch einen Einblick in eine bedeutende und ungewöhnlich vielfältige Privatsammlung auf dem Gebiet der Buchkunst.
Herr Heller, wie und wann begann eine Sammelleidenschaft, die allein in der 2014 an das Burg Wissem Bilderbuchmuseum übergebenen Sammlung schon 3500 Objekte umfasste und die anscheinend bis heute in Ihrem 81. Lebensjahr anhält?
Ich bin seit meiner frühesten Kindheit Sammler. Begonnen habe ich damals, nach dem Vorbild meines Vaters, mit dem Sammeln von Briefmarken. Die Qualität der Drucktechnik damals faszinierte mich, sie war geradezu sinnlich. Schweizer Briefmarken in den 40-er Jahren zum Beispiel hatten eine so herrliche, glatte Farbigkeit. Sehr früh habe ich dann auch begonnen, mich mit Büchern und mit den Bildern in Büchern zu beschäftigen. Noch als Gymnasiast lernte ich einen geduldigen und sehr hilfreichen Antiquar kennen. Während meiner Studienzeit entdeckte ich meine eigenen Kinderbücher wieder; Bilderbücher aus der späten Kriegs- und auch der Nachkriegszeit. Daraus entwickelte sich eine richtige Leidenschaft, mich mit Bilderbüchern zu beschäftigen. Schon als Student besuchte ich Auktionen in Wiener Dorotheum, wobei mich damals Kinderbilderbücher aus der Zeit von 1880–1940 interessierten. Meine Schwerpunkte lagen klar auf Wien, wo ich lebte, aber auch auf dem Jugendstil, der Neuen Sachlichkeit, dem Expressionismus. Die Sammlung, die solcherart in mehreren Jahrzehnten zustande kam, war zudem international angelegt, hat also nicht nur einen österreichischen Bezug.
Diese (»alte«) Sammlung von 3500 Büchern befindet sich heute im einzigen Bilderbuchmuseum Deutschlands, im Museum Burg Wissem in Troisdorf. Das Museum veranstaltet regelmäßige Ausstellungen und verleiht Preise; meine Sammlung wurde im Jahr 2014 dorthin verkauft und wird hier bis heute, nach amerikanischem Vorbild, unter meinem Namen als Sammlung (neben anderen Sammlungen) belassen; die »Kinderbuchsammlung Friedrich C. Heller«.
Im Jahr 2008 erschien überdies meine Bibliographie der künstlerisch illustrierten Bilderbücher in Wien, »Die Bunte Welt«, die in ihrem Umfang noch über die Wiener Bilderbücher meiner Sammlung hinausgeht.
Was ist nun die »Neue Sammlung Friedrich C. Heller«, auf die sich die Stuttgarter Ausstellung fokussiert? Wie beschreiben Sie Ihre Arbeit?
Ab dem Jahr 2000 etwa hatte ich immer mehr das Gefühl, ich gehe an bemerkenswerten zeitgenössischen Bilderbüchern vorbei. Schon vor der Übergabe meiner Sammlung an Troisdorf im Jahr 2014, begann ich mich (seit ca. 2005) mit zeitgenössischen Bilderbüchern zu beschäftigen. Viele dieser Bücher (aber keineswegs alle) sind Kinderbilderbücher, aber nur dann wirklich erfolgreich, wenn sie auch für Erwachsene interessant sind. Die Neue Sammlung umfasst auch Pressendrucke und Unikate.
Der Bildanteil dieser Werke ist selbstverständlich der wesentliche Anteil, der Text sekundär. Es gilt aber, die Bücher nicht mit illustrierten Büchern zu verwechseln, mir geht es um Bilderbuch-Kunst. Es gibt ja weltweit nicht wenige Künstler, die ihre Vorstellungen vor allem in Bilderbüchern gestalten und manifestieren.
Es ist mir ein Anliegen deutlich zu machen, dass gerade in unserer Zeit, in der stets gejammert wird, dass das Buch einen Tod stirbt, gerade das Bilderbuch einen regelrechten Boom erlebt. Innerhalb des großen Angebots gibt es Bücher, die einen hohen künstlerischen Anspruch erheben. Es kommt mir nie auf den Preis an, ob hohe Auflage oder Pressendruck; es kommt nur auf die Qualität an!
Wie gehe ich vor?
In meiner alten Sammlung gab es einen Kanon und ich wusste, was in der Sammlung sein sollte. Dafür habe ich immer das »noch Fehlende« gesucht und mit Antiquaren gearbeitet.
Mit der Neuen Sammlung ist das nicht möglich. Ich weiß nicht, was in Zukunft erscheinen wird. Ich muss mich einzig und allein auf mein ästhetisches Urteilsvermögen stützen, das im Laufe der Zeit gewachsen ist und immer noch weiter wächst. Gemeinsam mit meiner Frau reise ich sehr viel, und wohin wir kommen, gehen wir in Buchhandlungen, die hoffentlich keine rosafarbene Kinderbuchecke (mit den niedlichen und massenweise verkauften Bilderbüchern) haben. Gerade in Frankreich zum Beispiel findet man aber Buchhandlungen (oft auch in kleinen Orten), die ein vielfältiges und anspruchsvolles Bilderbuch-Angebot führen.
Mich interessieren Bücher, die mit künstlerischer Qualität gestaltet sind. Verlage wollen sich diese Bücher oft nicht leisten, weil es dann ja des kritischen Blicks von Erwachsenen bedarf. Aber auch Kinder können ja auf Farben und Abstraktionen reagieren, nur muss man sich Zeit nehmen und das Buch mit ihnen gemeinsam und konzentriert betrachten.
Aber ich muss hier grundsätzlich erwähnen: ich bin Sammler, und ich sammle nicht als Pädagoge.
Der bekannte Kinderbuchautor Heinz Janisch hat einmal gesagt: »Wer Bilderbücher sammelt, der hat zu Hause eine große Grafik- und Kunstgalerie, über die er jederzeit verfügen kann.«
Bilderbücher besitzen einen unglaublichen Reichtum und eine Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten. Mich interessiert dabei besonders, inwieweit sich zeitgenössische Kunst und ihre Stilrichtungen in Bilderbüchern manifestieren. Mir geht es allein um Buchkunst.
In welcher Verbindung stehen Sie zu Antiquaren und der Antiquariatsmesse Stuttgart?
Verkürzt könnte ich es so sagen: Für meine alte Sammlung habe ich gesucht, für meine Neue Sammlung möchte ich finden.
Heute gehe ich in ein Antiquariat und suche nicht mehr, ich hoffe etwas zu finden. Ich habe bei Antiquaren wie auch auf der Messe in Stuttgart oft schon sehr schöne Bücher gefunden. In der Ausstellung zeige ich nun natürlich auch einige Exponate, die ich sowohl in Stuttgart als auch in Ludwigsburg gefunden habe. Mir ist es ein großes Anliegen an die Antiquare, sich mit diesen Büchern zu beschäftigen. Wenn man sie jetzt nicht sammelt, sind sie später auch nicht in den Antiquariaten zu finden.
Durch meine alte Sammlung stand ich schon sehr früh mit Antiquaren in Kontakt. Als junger Mann habe ich eine Weile im Antiquariat von Christian Nebehay gearbeitet, der meine damalige Sammlung etwas skurril fand, er sammelte selber alte Kinderbücher. Er gab mir aber den wertvollen Tipp, ich sollte, wenn ich mich auf ein Thema spezialisiere, mich auch ausschließlich auf dieses Thema konzentrieren (das heißt übrigens auch: viel darüber wissen wollen!). Das Auge lernt so -- und das Auge kann gar nicht genug lernen!
In Stuttgart gehe ich über die Messe und sehe viele unglaublich interessante Objekte, aber ich konzentriere mich dann doch wieder auf mein Sammelgebiet.
Ein ernsthaftes Sammeln ist ohne guten Kontakt zu den Antiquaren nicht möglich. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Man lernt voneinander, macht einander aufmerksam auf Interessantes und Wichtiges.
Dieses vertrauensvolle Verhältnis zu Antiquaren ist ja auch eine Art geistiger Gemeinschaft, verbunden durch die Liebe zum Schönen – in einer Zeit, in der wir so oft mit Zerstörungen konfrontiert sind.
Herr Heller, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Geschäftsstelle: Norbert Munsch
Seeblick 1, 56459 Elbingen
Fon +49 (0)6435 909147
Fax +49 (0)6435 909148
E-Mail buch[at]antiquare[dot]de