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17. Januar 2024
Auf Instagram, Twitter (jetzt X) und TikTok folge ich diversen Antiquariaten und Antiquar*innen. Viele stellen ganz besondere Schätze vor, wie die Erstausgaben allseits bekannter Kinderbücher, oder erklären die gängigen Buchformate und dass man Bücher eigentlich nicht mit weißen Handschuhen anfassen sollte. Ganz besonders gefällt mir zum Beispiel der mit rund 42.000 Followern beeindruckend erfolgreiche Twitter-Account von Sotheran’s, die jetzt nach fast 100 Jahren aus ihrem Laden in der Sackville Street in London ausziehen müssen. Online begegnet mir die leicht karikierte Figur des selbstironischen Antiquars Oliver, der nicht gern mit Kund*innen spricht:
Henry Sotheran Ltd
@sotherans:
*phone rings*
me: good afternoon this is henry sotherans if you talk to me I will throw myself into the road
*pause*
caller: i have a question15:26 · 14.12.23
Oliver Darkshire, dessen Tätigkeit als Sotheran’s Twitter-Mensch nicht unterschätzt werden darf, schafft es, Antiquariatsklischees mit bekannten Stilmitteln der Twitteratur (Kleinschreibung, Pointen in Form von kommentierten Retweets, unabgeschlossenes Erzählen u.s.w.) zu verbinden, ohne durchschaubar dem Viralen hinterherzujagen. Er erzählt von Geistern im Keller, verstörten und verstörenden Kund*innen und gruseligen Büchern. Damit erschafft er für Sotheran’s eine authentisch wirkende, überraschende und witzige Twitter-Persönlichkeit, die man zu kennen glaubt und deshalb nicht missen möchte. Der Laden, ob man ihn schon einmal besucht hat oder nicht, wird zum fabelhaften Schauplatz.
Wenn es sich anbietet, verlässt der Account aber diesen Schauplatz des Ladens und nutzt Trends, um in die Welt des Antiquariats zu locken. Zum Beispiel im Sommer letzten Jahres, als Greta Gerwigs Film Barbie vor allem Frauen dazu anregte, sich selbstbewusst mit einer umgedeuteten Barbie als feministische Metapher zu identifizieren, entstand der Trend, sich selbst als Barbie mit einer bestimmten Profession zu bezeichnen. Dazu twitterte @sotherans:
Henry Sotheran Ltd
@sotherans:
“doctor barbie”
“pastry chef barbie”
where is antiquarian barbie
where is seeker of dark truths barbie
where is hunted occultist barbie16:08 · 21.07.23
Diese Posts, die mir so sehr gefallen, verweisen eher selten auf eine Website. Accounts wie @typepunchmatrix auf Twitter, @moonsrarebooks auf TikTok oder @jonkersrarebooks auf Instagram (bedient werden allerdings in der Regel alle Plattformen, auch wenn hier nur je eine genannt ist) locken mich nicht weg von der Plattform, auf der ich ihnen begegne, sondern scheinen sich dort pudelwohl zu fühlen und bauen sich eine Community auf. Sie erklären Bücher, sprechen über das Sammeln und teilen so ganz nahbar ihre Welt. Inwiefern sich dieser Aufwand eines so authentisch wirkenden, persönlichen, aber professionellen Auftritts in den sozialen Medien für das Geschäft lohnt, kann ich als Sammlerin kaum beurteilen. Aber ich habe eine Art Beziehung zu Antiquariaten als Internet-Persönlichkeiten, wie ich sie nicht entwickele, wenn ich einmal kurz durch einen echten Laden gestöbert habe, aber nichts gefunden haben sollte.
Elisabeth Wittkowski
Geschäftsstelle: Norbert Munsch
Seeblick 1, 56459 Elbingen
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Fax +49 (0)6435 909148
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